David gegen Goliath?
Die Ost-Berliner Kino-Landschaft in Erwartung der Multiplexe Von Katharina Körting
»Bei uns gibt es kein Popcorn, weil wir das total eklig finden«. Christine Hebel sagt das etwas grimmig. Sie ist eine von drei Betreibern des »Neuen Kinos« in den aufwendig sanierten Hackeschen Höfen in Mitte. Direkt daneben hat in einem weiteren der typischen weitläufigen Berliner Hinterhöfe das »Central« seine Pforten geöffnet. Und da gibt es Popcorn. Hinter dessen Betreibern steht anteilig die Yorck-Kino-GmbH, die im Westteil der Stadt bereits mehrere gutgehende Kinos betreibt.
Frank Zilm ist studierter Theaterwissenschaftler und betreibt zusammen mit dem Medientechniker Rainer Fett das vor einem Jahr eröffnete »Blow Up« auf einem ehemaligen Fabrikgelände in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg. Über dem Kino liegt einer der größten Ost-Berliner Billard-Salons, so daß »sich auch ne ganze Menge Publikum im Blow Up verläuft«,
wie Zilm erfreut feststellt. »Spaß ist wichtiger als Bildung«, so das Motto der beiden Kinobesitzer- Sie zeigen Unterhaltungsfilme. Zilm: »Die Leute haben auch ein Recht auf Unterhaltung, wenn sie die ganze Woche gearbeitet haben.«
Das kleine »Camera« im Tacheles an der Oranienburger Straße gibt es seit fünf Jahren. »Camera« macht keine Uraufführungen, und wann immer möglich, laufen die Filme im Original: »Wir finden, daß der Film seine Seele verliert, wenn man ihn synchronisiert«, erklärt Charlotte Breinersdorf, hauptberuflich Studentin der Sinologie. Inhaltlich ist das Konzept eher einfach: »Wir graben Sachen aus, die uns gefallen und die die Berliner Kulturlandschaft bereichern.«
Eines der Unternehmen, die anspruchsvolle Filme unter die Leute bringen, ohne dabei um den Profit fürchten zu müssen, ist die Yorck-Kino-GmbH von Georg Kloster Der ehemalige Kartenabreißer managt sein Unternehmen so geschickt, daß er von den Verleihern oft die exklusiven Aufführrechte bekommt.
1992 übernahm die Kinokette das ehemalige DDR-Renomier-Kinb International und eröffnete außerdem in schneller Folge einige kleine Filmtheater
Das Kino boomt in Berlin. In diesem Jahr erwartet der Kinobesitzerverband insgesamt 20 Kino-Neugründungen. Die Statistik besagt zwar, daß die Ost-Berliner nicht mal halb so oft ins Kino gehen wie die West-Berliner. Das könnte aber bald schon ein veraltetes Ergebnis sein: Noch liegen drei Viertel der rund 170 Berliner Kinos im West-Teil der Stadt. Nicht nur die mutigen unabhängigen Kleinkino-Betreiber haben diesem Zustand den Kampf angesagt. Auch das gro-ße Geld wittert ein beachtliches brachliegendes Zuschauerpotential. Pläne und begonnene Bauarbeiten für riesige Kino-Center, vor allem in den Ost-Berliner Au-ßenbezirken, am Potsdamer Platz und am Alexanderplatz, aber auch im Westteil sollen die Berliner mit einer Art MacDonalds der Kinos beglücken: dem sogenannten »Multiplex« oder »Cineplex«.
Das Filmtheater am Friedrichshain von Georg Kloster wird heute abend wieder eröffnet. Das kostspielig umgebaute Ufa-Traditionskino, das jetzt über 950 Plätze in fünf Sälen verfügt, kommt so den ersten Multiplexen zuvor, die nächstes Jahr fertig sein sollen.
In einigen Jahren könnte sich die Zahl der Kinoplätze in Berlin von 30 000 auf das Doppelte erhöhen.
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