Die Linke und der Jahrestag
Auf den Jahrestag des Mauerfalls, allerorts mit dem üblichen Tamtam begangen, hat die deutsche Linke mit beredtem Schweigen reagiert. Weitgehend. Das mag daran liegen, dass über den »Realsozialismus« alles gesagt ist und manchen heute die Angst beschleicht, ein kritisches Wort über die »Wende« könnte als rückwärts gewandte Hoffnung missdeutet werden. Nein, diese DDR will niemand wiederhaben. Aber gäbe es nicht dennoch etwas zu diskutieren über diesen Teil der zwar »friedlichen« aber immerhin doch »Revolution«?
Die spätsommerliche Protestbewegung gegen die Arbeitsmarktreformen hat zumindest die Frage, ob »1989« insgesamt als Traditionsbezug taugt, mit Ja beantwortet. Bei den Montagsdemonstrationen damals wie heute ging es den Menschen »darum, sich nicht länger bevormunden und verdummen zu lassen«. Die »Sozialistische Alternative«, als trotzkistische Gruppe jedweder Sympathie gegenüber »bürokratischen Diktaturen« unverdächtig, hat entdeckt, dass man »immer noch das Volk« sei. Auch beim ideologisch nicht sehr weit entfernten »Linksruck« wird die Traditionstrommel gerührt und bei der MLPD sowieso: Heute wie damals marschierten die Menschen für ein besseres Leben, dass ihnen die Regierung vorenthält. Und darauf könnten sie, vor allem die »Wiederholungstäter« im Osten, stolz sein.
Und der 9. November 1989? Als Episode der »friedlichen Revolution«, die weniger auf den Zorn der Straße als auf die Unfähigkeit der damals Regierenden zurückzuführen ist, hat sich nie als positiver Bezugspunkt für die Linke angeboten. Im Gegenteil: Als Ausdruck deutsch-taumelnder Besoffenheit schien die »Wahnsinn« rufende Menge alle Befürchtungen über das größer werdende Deutschland zu bestätigen. Nevim Cil, Migrantenkind der zweiten Generation und einst linke Hausbesetzerin in Bremen, hat sich in der »taz« an den Mauerfall so erinnert: »Die wollten alle Richtung Westen. Ich wusste ja, was der Westen ist - Kapitalismus, Imperialismus, Unterdrückung. Ich dachte, das kann nicht wahr sein, wie können di...
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