- Politik
- Polnische Botschaften im Literarischen Colloquium in Berlin-Wanns
Der Abend des Henryk Bereska
Dies war der Abend des Henryk Bereska: Bereska, 1926 in Kattowitz geboren, lebt seit 1948 in Ostberlin. Am Freitag der vergangenen Woche überbrachte er im Literarischen Colloquium Berlin anläßlich seines 70. Geburtstages zusammen mit Jacek Bochenski und Adam Zagajewski »Polnische Botschaften«.
Bereska nämlich ist in der DDR als exzellenter Nachdichter und Übersetzer, als einer der Mittler polnischer Literatur bekannt geworden. Seine eigenen Gedichte und Aphorismen dagegen waren der Öffentlichkeit kaum bekannt. Sie hätten ihrem Autor wegen der ironischen Deutung von Zeitumständen eher Schwierigkeiten als offizielle Anerkennung gebracht. Bereska, ein Mann des Ausgleichs, verzichtet nicht auf Botschaften. Seine Gedichte, etwa in der Tradition von Peter Huchel, bewegen sich immer wieder ironisch ge-
brochen in jenem Spannungsfeld, das eine Kindheit in Oberschlesien, Erfahrungen in Ostberlins Mitte und Begegnungen in märkischen Dörfern nach sich zieht. Die Texte sind treffsicher im Spiel mit Wörtern und im Blick auf die Welt, kaum einmal böse, eher von einer still zweifelnden Nachdenklichkeit.
Jacek Bochenski, wie Bereska Jahrgang 1926 und inJLemberg geboren, hat immer in Polen gelebt. Zu den Kommunisten ging er irgendwann auf kritische Distanz, hat im Untergrund Romane und publizistische Arbeiten veröffentlicht. Au-ßer Landes gewiesen wurde er nicht, für Polen undenkbar, so meint er heute. Bochenski stellte im Literarischen Colloquium seinen neuen Roman vor, den »Traum von der verdeckten Brust«. Da ist keine epische Breite, auch bei ihm überwiegen Ironie und Doppeldeutigkeit. Und so läßt er immer neue Anspielungen kunstvoll auf Leser und Zuhörer los.
Der Dritte an diesem Abend, Adam Zagajewski, geboren 1945, stammt eben-
falls aus Lemberg. Er hat Polen 1982 verlassen, nicht aus politischen Gründen, sondern wegen einer Frau. Als Emigrant versteht er sich nicht. Zagajewski lebt heute in Paris.
In Berlin las er Kurzprosa und Gedichte, bekannte sich zu aufklärerischem Pathos und sarkastischer Klage über den Zustand der Welt. Sache der Dichter sei es, Ansehen, Glauben und Stolz zu vermitteln, so zu verändern, nicht der einzelne sei wichtig, sondern das Gemeinwohl.
Die drei ? grundverschiedenen »Polnischen Botschaften« täuschten nicht darüber hinweg, daß sich Bochenski und Zagajewski ihren ostdeutschen Kollegen ziemlich überlegen fühlen: Die Literatur in Polen, darauf bestanden sie im Gespräch, sei von den Veränderungen seit 1991 nicht betroffen. Sie habe sich der Ideologisierung sehr viel früher entzogen als die ostdeutsche Literatur
Bereska, der Pole in Deutschland, schwieg leider Andererseits müßte eine solche Frage sehr viel genauer, auf diesen wie auf jenen Autor und auf allgemeine Entwicklungen bezogen, diskutiert werden. Der Eifer, der Bessere zu sein, ist da ziemlich überflüssig. Nicht nachzuprüfen war so kurzfristig auch, ob polnische Dichter im Ergebnis gesellschaftlicher Veränderung derzeit weniger über die verschlechterte Lebenssituation der Intellektuellen klagten als über das galoppierende Tempo kapitalistischer Entwicklung.
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