Briten not amused über die »Causa Kopftuch«
Aufschlussreicher europäischer Vergleich zu einem von Fundamentalisten politisierten Stück Stoff
Während der CSU-Parteitag in München die »deutsche Leitkultur« propagierte, Bayerns Partei- und Regierungschef Stoiber »Nein zu islamischen Kopftüchern!« ausrief, winkte sein Innenmister Beckstein in Köln entzückt deren Trägerinnen zu. Nirgendwo sonst in Europa wäre derlei Heuchelei und Schizophrenie denkbar.
»Dürfen oder dürfen sie nicht?« lautet der erste Satz eines kürzlich erschienenen europäischen Vergleichs des Umgangs von Staatsgewalt und christlich-atheistischer Mehrheitsgesellschaft mit islamischen Mitbürgerinnen, die - warum auch immer - ein Kopftuch tragen (wollen). Erarbeitet haben ihn die Juristen Louise Kubelka (Österreich) und Marcus Schian (Deutschland) mit Unterstützung zahlreicher Behörden, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler im In- und Ausland. Beleuchtet werden neben dem Kulturkampf meist christlich-konservativer Fundamentalisten in Deutschland die Situation in den anderen »alten« EU-Staaten, aber auch die aktuellen Auseinandersetzungen in der Türkei und deren Wurzeln als dem Herkunftsland Nr. 1 der in Deutschland lebenden Muslime. Was die Autoren auf 80 Seiten im A4-Format zusammengetragen haben, ist nicht nur »ein aufschlußreiches Psychogramm des heutigen Europa, dessen nationale Politik von Toleranz und Vernunft bis zum gesetzlichen Bannstrahl reicht«, wie der Verlag hervorhebt. Die Arbeit besticht vor allem durch viele interessante - offenkundig exakte, nachprüfbare - Informationen samt Namen von Sachverständigen in den einzelnen Ländern und Hinweisen, wie mit ihnen Kontakt aufgenommen werden kann. Dass bei alldem die deutsche »Causa Kopftuch« besonders viel Platz einnimmt, ist nicht zuletzt der als »Kulturhoheit der Länder« camouflierten kleingeistigen politischen wie rechtlichen Kleinstaaterei geschuldet. Detailliert wird angeführt, wie sich die vielfarbigen Regierungskoalitionen in 16 Bundesländern zu Kopftüchern an Schulen oder im öffentlichen Dienst verhalten - oder bewusst nicht. Vieles davon wirkt vor dem Hintergrund gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen anderswo in Europa nicht nur provinziell, sondern auch menschenrechtswidrig. So schüttelt man in Großbritannien irritiert den Kopf über hiesige Debatten und Verbote. Denn dort tragen nicht nur muslimische Beamtinnen oder Diplomatinnen selbstverständlich auch im Dienst ein Kopftuch, falls sie es wünschen. Auch die Londoner Polizei hat ein zur Uniform passendes Kopftuch designen lassen, nachdem zuvor scho...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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