Arabische Länder einig gegen Ausweitung des Krieges

Politiker üben sich im Spagat zwischen Bevölkerung und USA

  • Peter Schäfer, Ramallah
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Der Beginn der amerikanisch-britischen Angriffe auf Afghanistan schürt in den arabischen und islamischen Ländern die Angst vor einer geografischen Ausweitung der Militäraktion. Jetzt beriet darüber auch die »Organisation der Islamischen Konferenz« (OIK) in Doha, Katar.

Die Ankündigung der USA-Regierung, wonach der »Krieg gegen den Terror« zukünftig auch »andere Organisationen und Staaten« treffen könnte, hat die arabische Welt in Aufregung versetzt. Die Politiker arabischer und muslimischer Staaten der »Organisation der Islamischen Konferenz« (OIK) suchten in Doha eine gemeinsame Position zum Krieg gegen Afghanistan. Das Ergebnis der Tagung ist ein diplomatischer Drahtseilakt, der die USA und gleichzeitig die aufgebrachten Bevölkerungen der 57 Mitgliedsstaaten zufriedenstellen soll. So ist sich der größte islamische Zusammenschluss einig in der Verurteilung der Terrorangriffe auf die USA vom 11. September. Allerdings kritisiert die OIK den Krieg gegen Afghanistan als »übereilt«, da noch immer keine Beweise gegen Osama bin Laden vorlägen. Der Abschlussbericht formuliert auch »die Gefahr ziviler Opfer in Afghanistan« und warnt vor einer Ausweitung der Angriffe. Der OIK-Vorsitzende und Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani, sagte, dass »die Einbeziehung anderer muslimischer Staaten in die Kampagne nicht akzeptiert« würde. Beschlüsse der 1969 gegründeten OIK sind nicht bindend, zu verschieden sind die Interessen ihrer Mitglieder. Die Erklärung ist der kleinste gemeinsame Nenner. So lehnen Irak und Iran die Bombardierung Afghanistans insgesamt ab. Für die USA wiederum sind sie »den Terror unterstützende Staaten«, eine Zuschreibung, die in Zeiten des Anti-Terror-Krieges eine ganz neue Dimension erhält. Andere Länder wie Saudi-Arabien oder Ägypten geben sich zurückhaltender. Sie haben selbst große Probleme mit islamistischen Oppositionsgruppen, ein Sturz der afghanischen Taleban kommt ihnen deshalb entgegen. In fast allen OIK-Staaten finden täglich Proteste gegen die Angriffe auf Afghanistan statt, die zum Teil blutig unterdrückt werden. Die ägyptische Polizei hat nach eigenen Angaben am Mittwoch eine Zelle des bin-Laden-Netzwerkes Al Qaida zerschlagen. Jordanien und die Palästinensische Autonomiebehörde haben Dutzende von Aktivisten verhaften lassen, denen die Organisierung von Solidaritätsdemonstrationen mit Afghanistan vorgeworfen wird. Genau wie in Europa und den USA werden die Anschläge von New York und Washington in den arabischen und muslimischen Staaten zur Umsetzung lange geplanter innenpolitischer Maßnahmen genutzt. Die OIK diskutierte auch den israelisch-palästinensischen Konflikt. »Es gibt einen Unterschied zwischen Terror und berechtigtem Widerstand gegen ausländische Besatzung«, so der Bericht. Der palästinensische Präsident Yasser Arafat beschuldigte in seiner Rede Israel, im Schatten des Afghanistankrieges neue Angriffe in den seit 34 Jahren besetzten Gebieten zu führen. Die Militäraktionen gegen palästinensische Ortschaften und deren Abriegelung hätten seit dem 11. September stark zugenommen. Die OIK appellierte an die internationale Staatengemeinschaft, den nahöstlichen Friedensprozess nicht von der Tagesordnung zu streichen. Erst am Mittwochabend wurde bekannt, dass die USA einen Lösungsvorschlag für den Konflikt ausgearbeitet haben, dessen Umsetzung wegen der Anschläge vom 11. September aber verschoben wurde. Auf der Grundlage des Mitchell-Berichts vom Mai diesen Jahres sieht er einen israelischen Siedlungsstopp und die Einstellung aller Kampfhandlungen vor. »Zwei Staaten für zwei Nationen« und ein Jerusalem als Hauptstadt zweier Völker auf der Grundlage der UNO-Resolutionen 242 und 338 werden in Aussicht gestellt. Die meisten arabischen Staaten bezichtigen Israel des Staatsterrorismus in den besetzten palästinensischen Gebieten - im Einklang mit internationalen Vereinbarungen und Resolutionen der Vereinten Nationen (UNO). Deren Einfluss und Zuständigkeiten sind aber seit dem Ende des Kalten Krieges geschrumpft und praktisch von den USA übernommen worden. In diesem Klima muss die einzig verbliebene Weltmacht nicht einmal mehr gegen die Wahl Syriens in den UNO-Sicherheitsrat protestieren. Das arabische Land, stärkster Gegner Israels in der Region, wird am 1. Januar 2002...

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