- Politik
- Konferenz zum 50. Todestag von Gustav Noske
Der Bluthund
»Wozu muß einer der Bluthund sein?« So hieß die Konferenz, die von der Bürgerinitiative für Sozialismus zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Volkshochschule am Wochenende zum 50. Todestag Gustav Noskes stattfand in Hannover, wo er begraben liegt.
Gustav Noske wollte Deutschland 1919 vor der »bolschewistischen Gefahr« schützen, doch die hat es damals, so der Freiburger Militärhistoriker Wolfram Wette, als »machtpolitisch ernstzunehmender Faktor« in Deutschland nicht gegeben - darin sei sich die moderne Revolutionsforschung einig. Nach einer friedlich verlaufenen Großdemonstration, zu der USPD und Kommunisten gegen die SPD-Regierung aufgerufen hatten, besetzte eine kleine radikale Minderheit die »Vorwärts«-Druckerei. Es wäre - so Wette - eigentlich eine polizeiliche Aufgabe gewesen, die Druckerei zu räumen. Noske aber setzte die kaiserliche Soldateska ein. Das Ergebnis der so einsetzenden Kämpfe: über 3000 Tote - einen ähnlichen Blutzoll hatte es bei inneren Konflikten seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr gegeben. Noske tat, was Wilhelm II. den Sozialdemokraten immer angedroht, aber nie getan hatte, er ließ schießen. Trotzdem sei es nicht sinnvoll, betonte Wette, die Kritik auf Noske zu konzentrieren, die Mitverantwortung trugen fast alle sozialdemokratischen Führer, insbesondere Ebert und Scheidemann.
Noske hatte angeordnet: »Jede Person, die mit Waffen in der Hand gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen.« Das war, so der Soziologe Klaus Gietinger, auch ein Befehl zur Gefangenentötung. Und das bedeutete, daß sogar die eigentlich vorgesehenen außerordentlichen Kriegsgerichte außer Kraft gesetzt wurden. Es gab kein Recht mehr, nicht einmal Standrecht. Es war, wie Gietinger analysierte, »eine Lizenz zum Morden«. Unterschrieben vom Sozialdemokraten Noske. Bejubelt nicht nur von seinen Parteigenossen. Als Noske den Befehl im März 1919 der Nationalversammlung vortrug, verzeichnete das Protokoll »stürmischen Beifall« bei der Mehrheitssozialdemokratie und rechts. Politischer Mord, das Erschießen auf der Flucht, wie man es nannte, wurde von ihm gedeckt. Den Todesschwadronen der Weimarer Republik, den Freikorps versprach er, sie zu »einer dauernden Einrichtung des Staates« zu machen.
Nicht das Blutbad, das er angerichtet hatte, zwang ihn zum Rücktritt, sondern der Kapp-Putsch, der Aufstand seiner eigenen Leute : von den Freikorps gegen die demokratisch gewählte Regierung, in der er als erster Reichswehrminister der Weimarer Republik gesessen hatte. Die Parteiführung schickte ihn als Oberpräsidenten nach Hannover, ein Amt, aus dem ihn die Nazis als einzigen Sozialdemokraten 1933 nicht sofort entfernten. Göring versicherte ihm voller Anerkennung am 6. Februar 1933: »Einen Mann wie Sie schickt man nicht fort. Sie sind der einzige von den früheren Leuten, deren Verdienste wir anerkennen.« Und beurlaubte Noske lediglich bis zu seiner bevorstehenden Pensionierung. Hitler nannte ihn »eine Eiche unter diesen sozialdemokratischen Pflanzen« und demütigte ihn zugleich doch auf einer öffentlichen Kundgebung, indem er mitteilte, daß Noske seine Umzugskosten vom NS-Staat ersetzt haben wollte. Im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 kam er sogar in Haft; die Verhandlung gegen Noske wurde wegen Krankheit vertagt. Der Mann, der sich vor einer Befreiung durch die Rote Armee fürchtete, wurde fünf Tage vor Hitlers Tod aus dem Gefängnis entlassen. Vereinsamt und enttäuscht starb Gustav Noske vor fünfzig Jahren in Frankfurt am Main.
1961, zum 15. Todestag, legten Vertreter der niedersächsischen Landesregierung und der Bundeswehr Kränze an Noskes Grab nieder. Davon war jetzt am 50. Todestag keine Rede mehr. Doch das heißt nicht, daß Noske für immer tot ist.
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