Palast-Gutachten wird begutachtet
Mittes Baustadträtin engagiert Asbestexperten Von Bernd Kammer
Die Hängepartie in Sachen Palast der Republik dauert an. Nachdem das vom Bundesbauministerium lange angekündigte Nutzungskonzept für den Schloßplatz als Voraussetzung dafür, daß der Haushaltsausschuß des Bundestags die Mittel für die Asbestsanierung freigibt, auch 1996 nicht vorgelegt wird, will jetzt wenigstens Mittes Baustadträtin Karin Baumert (für PDS) Bewegung in die Angelegenheit bringen. Sie hat den Asbestexperten Uwe Krawietz engagiert, der das Palast-Gutachten der Firma ATD Tepasse »kritisch hinterleuchten« soll.
Allerdings hat der Bezirk kaum Möglichkeiten, auf die Entscheidungen zum Palast Einfluß zu nehmen. Immerhin muß er die Baustelleneinrichtung genehmigen. Bisher soll dafür fast der gesamte Schloßplatz beansprucht werden, erklärte die Baustadträtin gegenüber ND. »Deshalb wollen wir schon genau erfahren, ob es nicht vielleicht behutsamere Sanierungsmethoden gibt.«
Mit diesem Thema hat sich der mittlerweile pensionierte Krawietz lange Jah-
re bei der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) beschäftig. Dort entwikkelte er ein Verfahren, nachdem auch die ersten Abschnitte im ICC saniert wurden. Dabei wird die Asbestoberfläche mit einer Art Kunststoffkleber versiegelt. Anders als beim Palast bisher geplant, mußte dadurch im ICC der Asbest nicht gänzlich aus dem Gebäude entfernt werden. Zudem fiel wesentlich weniger kontaminierter Bauschutt an als bei herkömmlichen Methoden, bei denen der Asbest in Beton eingekapselt und in einer Sonderdeponie verbuddelt wird.
Krawietz soll nun untersuchen, ob Ähnliches auch beim Palast möglich ist. Und zwar auf ehrenamtlicher Basis. »Er bekommt kein Honorar von uns«, betont Baumert. Zu dem Schritt habe sie sich entschlossen, da nur ein von einer Institution beauftragter Experte Einsicht in das auch beim Bundesrechnungshof ausliegende Gutachten nehmen kann.
Krawietz hat sich bereits mehrmals den Palast angesehen, »aber mir fehlen noch Angaben, wo wieviel Spritzasbest verteilt ist.« Auf jeden Fall sei es ökonomisch und ökologisch sinnvoller, wenn nicht jede Asbestfaser abgekratzt und der Palast dadurch auf den Rohbau zurück-
gebaut werden muß. Was aber vor allem vom künftigen Nutzungskonzept abhinge. »Wegen Asbest muß heute jedenfalls kein Gebäude mehr abgerissen werden.« Die Anwendung der Klebetechnik würde zudem etwa 16 000 m 3 Sondermüll ersparen, schätzt Krawietz. 50 Lkw reichten, um den mit dem Kleber gebundenen Asbest abzutransportieren. Der Schloßplatz müßte nicht für den Einsatz von Betonmischern und die umfangreichen Transporte gesperrt werden.
Die Baustadträtin möchte möglichst schnell Teile des Palastes wiedereröffnen. Sie denkt dabei vor allem an das Cafe an der Schloßplatzseite, für das es bereits potentielle Betreiber geben soll. Diese würden auch die Sanierung sponsern, meint Baumert. Das Cafe könnte so zum Testfall für eine behutsame Sanierung des ganzen Palastes werden. Um diesem Projektwunsch Nachdruck zu verleihen, erwägt Baumert die Verhängung eines Instandsetzungsgebots gegenüber der Oberfinanzdirektion, der Verwalterin der bundeseigenen Immobilie.
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