Auf der Suche nach Frieden

  • Gabriele Zimmer, Vorsitzende der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf dem Heimweg vom PDS-Parteitag in Dresden erreichte uns die Nachricht vom Beginn der amerikanisch-britischen Militärschläge gegen Afghanistan. Vor den Fernsehnachrichten sitzend erhielten wir die Kriegserklärung und das vollkommene Einverständnis von Osama bin Laden mit den Terrorpiloten von New York und Washington per Videoerklärung nachgereicht. Aber unser Dresdner Friedensappell hat Bestand - mehr noch als zuvor: »Krieg darf nicht die Antwort auf Terror sein. Politik hat nicht Rache zu nehmen, Politik hat die Pflicht, Frieden zu stiften. Der Kampf gegen den Terrorismus kann gewonnen werden, der Krieg gegen ihn niemals.« - Was könnte heute aktueller sein? Wir suchen nach einem neuen, nach einem für Alle attraktiven Frieden. Nach einem Frieden in Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit. Jetzt und sofort. Wir glauben nicht an Sicherheit durch Krieg, sondern wir wollen Sicherheit durch Frieden. Die PDS-Kundgebung »Gegen Terror und Krieg« am Mittwoch vor dem Roten Rathaus hat es ebenso bezeugt wie die heutigen Demonstrationen der Friedensbewegung in Berlin und Stuttgart dies zeigen werden. Die seit dem 11. September so elementar angegriffenen Grundsätze der Achtung vor dem Leben und der Solidarität - Kernansprüche aller Religionen und Kulturen - können und müssen die Basis einer neuen internationalen Solidarität, einer Solidarität der Völker werden. Von Dresden aus haben wir uns vor diesem Hintergrund zu einer kritischen Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika, zu einer aktiven Friedenspolitik und zu intensiven Anstrengungen für eine neue globale Ordnung von Frieden und Gerechtigkeit bekannt. Kein Zweifel: Die am Terrorakt Schuldigen müssen gefunden und bestraft werden. Das ist notwendig, und es muss mit Verantwortungsbewusstsein und Augenmaß erfolgen. Die USA geben seit Sonntagabend auf ihre Weise eine Antwort auf diese Herausforderung. Jetzt geht es nicht mehr um Planspiele - sondern um diese militärische Aktion mit all ihren Konsequenzen. Militärschläge sind die falsche Antwort. Die Bombardierung von Zielen in Afghanistan trägt gerade nicht dazu bei, dem Terrorismus die Basis zu entziehen. Jetzt droht genau der umgekehrte Effekt: neue Terroristen werden rekrutiert, neue Netzwerke entstehen. Bush und Blair haben sich die Logik des Terrorismus aufpressen lassen. Keine Frage: Kriege emotionalisieren. Wo Krieg beginnt, kommen Angst - Ängste aller Art -, Zorn, Wut, auch Hass und archaische Impulse der Vergeltung auf. Demokratische Politik hat einen Souverän - das Volk. Und sie kann nicht ignorieren, welche Sorgen, Ängste und Gefühle die Menschen umtreiben. Demokratische Politik aber endet, wenn ihre Strukturen und Institutionen zum Durchlauferhitzer der Emotionalisierung werden. In welchem Land leben wir eigentlich, wenn sich heute diejenigen einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen, die meinen, dass Krieg eben nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist? Demokratische Politik beruht auf Rationalität - auf Abwägung, auf Interessenbalancen, auf gesellschaftlichen Mehrheiten. Ihre Institutionen und Strukturen, der Verfassungsauftrag der deutschen Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, sind gerade die Basis für die jetzt notwendigen Abwägungsprozesse. Nicht George Bush oder Franz Müntefering haben sich als Opposition mit Dingen auseinander zu setzen, die die PDS in Afghanistan und der Welt betreibt - es ist umgekehrt. Wir stehen als Antikriegspartei für eine Politik, die weder die in Gang gesetzte Spirale der Gewalt weiterdreht noch die Täter und ihre Hintermänner ungeschoren davon kommen lässt. Das bleibt unser Hauptanliegen auch nach dem Beginn der militärischen Aktionen gegen afghanische Ziele. Deshalb darf nicht eine Politik fortgesetzt werden, die den Eintritt des Kriegsfalles nicht auszuschließen vermochte. Eine neue Welt braucht eine neue Politik. Wir wollen ein Handeln der UN, das sich nicht auf den Sicherheitsrat begrenzt, sondern die Völkergemeinschaft insgesamt einbezieht. Alle Länder sollen gemeinsame Entscheidungen im Kampf gegen den Terrorismus treffen. Osama bin Laden hat den Krieg gegen Christen und Juden, gegen jegliche Zivilisation ausgerufen und begonnen. Doch demokratische Politik darf Krieg nicht mit Krieg, sondern muss ihn mit der Suche nach Frieden beantworten. Entscheidend ist dabei die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Das Leben Unschuldiger besitzt oberste Priorität. Der wichtigste Maßstab ist die Rechtsstaatlichkeit des Handelns. Selten war sozialistische Opposition so nötig wie heute.

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