Deutscher Wald bald kahl
Das Waldsterben geht weiter - Konsequente Maßnahmen gegen Verkehrs-Emissionen verlangt / Künast: 6 Jahre Rot-Grün sind zu wenig für Gesundung
Die Schäden in den Wäldern Deutschlands sind so groß wie seit 20 Jahren nicht mehr. Dieses Fazit zieht der Waldzustandsbericht, den die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL), Renate Künast (Grüne), am Mittwoch in Berlin vorstellte. Als Gründe nannte sie die extreme Trockenheit des Sommers 2003 und die anhaltenden Schadstoffeinträge.
Der Kronenzustand der Waldbäume in Deutschland hat sich gegenüber dem Vorjahr noch einmal erheblich verschlechtert. Die Zahl der gesunden Bäume ohne sichtbare Schäden ist so klein wie nie zuvor. Zu diesem Ergebnis kommt der Waldzustandsbericht 2004, der seit 1984 jährlich erstellt wird. Grundlage für den Bericht ist die bundesweite Beobachtung der Baumkronen, des Wuchsverhaltens, aber auch des Insektenbefalls der Waldbäume sowie des Zustandes des Waldbodens. »Das Ergebnis des Waldzustandsberichtes ist alarmierend«, befand Renate Künast. Nur noch rund ein Viertel aller Waldbäume in Deutschland ist gesund.Als Gründe für die Zunahme der Schäden nannte Künast den Trockenstress des Sommers 2003 und die damit verbundene hohe Belastung mit dem Reizgas Ozon. »Der Boden hat ein langes Gedächtnis«, sagte die Ministerin. Über viele Jahre seien anhaltend große Mengen an Säuren und Schadstoffen aus der Luft in den Boden eingetragen worden und hätten die Bäume zusehends geschwächt. Es gäbe daher zu einer konsequenten Umweltpolitik keine Alternative, betonte die Grünen-Politikerin. Alle Maßnahmen wie etwa zur stärkeren Luftreinhaltung würden erst mittelfristig Ergebnisse zeigen. »Die sechs Jahre der Bundesregierung sind für den Wald recht wenig«, sagte Künast. Als Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutz der Wälder nannte die Ministerin das Nationale Klimaschutzprogramm, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die neue Verordnung zur Verminderung von Schadstoffen und die Förderung alternativer Kraftstoffe.
Mit einer »Charta für Holz«, einer gemeinsamen Initiative ihres Ministeriums mit Forst- und Umweltverbänden, will Renate Künast die Verwendung einheimischen Holzes innerhalb der nächsten zehn Jahre um 20 Prozent steigern. Holz sei ein ökologisch vorteilhafter Rohstoff. Seine Verwendung trage indirekt zur Entlastung der Umwelt bei und nutze damit wiederum dem Wald.
Die Ergebnisse des Waldzustandsberichtes wurden unterschiedlich ausgenommen. Die Umweltorganisationen Greenpeace, BUND und NABU forderten eine Wende in der Verkehrspolitik, konsequenteren Klimaschutz und eine verstärkte Ökolandwirtschaft. So regte der Deutsche Naturschutzring die Einführung einer kohlendioxidbezogenen Kraftfahrzeugsteuer und eine Kerosinsteuer für den Flugverkehr an, um dem Schadstoffausstoß wirkungsvoll begegnen zu können. Große Hoffnung setzen die Umweltverbände in die Novellierung des Bundeswald- und Bundesjagdgesetzes. Die Zukunft der Waldwirtschaft liege in der naturnahen Nutzung.
Die Forstlobby argumentierte entgegengesetzt. »Der derzeitige Zustand des Waldes darf nicht zu falschen Schlussfolgerungen führen«, warnte Dirk Alfter, Vorstandsvorsitzender des Holzabsatzfonds in Bonn. Eine Einschränkung der Bewirtschaftung zur Schonung der Wälder wäre der falsche Weg. »Eine "Schonung" würde nicht zu einer Verbesserung des Waldzustandes führen, sondern nur zu einer weiteren Verschlechterung«, erläuterte Heino Polley, Wissenschaftlicher Direktor der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft. Eine Begründung für diese Behauptung lieferten die Forstexperten allerdings nicht.
Zahlen & Fakten
28 Prozent aller Bäume in Deutschland sind ohne sichtbare Schäden.
41 Prozent haben dagegen leichte Schäden.
Der Anteil der stark geschädigten Bäume ist auf 31 Prozent gestiegen.
Besonders starke Verschlechterungen stellt der Bericht in Bayern (plus 15Prozent) und Schleswig-Holstein (plus 18 Prozent) fest.
Von den Nadelbäumen sind Fichten und Kiefern zu 35 bzw. 17 Prozent stark geschädigt.
55 Prozent der Buchen und 45 Prozent der Eichen sind schwer geschädigt.
Bei der letzten Erhebung 2003 waren noch 31 Prozent aller Bäume ohne Schäden, 46 Prozent waren leicht und nur 23 Prozent stark betroffen.
In den letzten 18 Monaten kam es bedingt durch die Trockenheit zur Massenvermehrung der Borkenkäfer, die vor allem den Fichten zu schaffen machen
Als Maß für die Trockenheit verwendet der Bericht den Quotient aus Jahressumme des Niederschlages und Jahresdurchschnittstemperatur. 2001 lag dieser noch bei über 100 mm pro Grad Celsius. Im Trockenjahr 2003 betrug er nur knapp mehr als 60.
Eine Prognose über die weitere Entwicklung des Waldes ist für die Experten kaum möglich. Eine Erholung der Wälder wird aber Jahre dauern.
Der Wald in Europa insgesamt ist in einem ähnlich schlechten Zustand. 2003 waren 23 Prozent aller Waldbäume in Europa stark geschädigt.
Europaweit zeigen 23 Prozent der Fichten und Kiefern, 22 Prozent der Buchen und 25 Prozent der Eichen Kronenschäden.
Der Schadstoffausstoß wurde in den letzten Jahren deutlich verringert. Zwischen 1990 und 2002 wurde 89 Prozent weniger Schwefeldioxid und 47 Prozent weniger Stickstoffoxid emittiert.
Dennoch ist der Ausstoß von Stickstoffverbindungen nach Meinung von Experten immer noch zu hoch.
Durch den hohen Eintrag von Stickstoff in den Waldboden wachsen die Waldbäume schneller und es steigt der Vorrat an Holz. Nur 72 Prozent des jährli...
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