Dammbruch in der Sterbehilfe
Ausweitung auf Neugeborene wird in den Niederlanden gefordert
In den Niederlanden ist die aktive Sterbehilfe für schwer geschädigte Neugeborene in der Debatte. Auch in Deutschland regt sich Kritik.
»Wir sprechen nur über ganz wenige Neugeborene pro Jahr in den Niederlanden«, meint Jenniki Kruse. Die Sprecherin der Universitätsklinik Groningen versteht die ganze Aufregung ausländischer Medien nicht. Stein des Anstoßes ist das bereits vor gut zwei Jahren begonnene Groninger Protokoll, das jetzt erneut ins Rampenlicht gekommen ist, nachdem Ärzte von acht holländischen Kinderkliniken seine Einführung gefordert haben. In dem Protokoll gibt ein Fünf-Punkte-Kodex Empfehlungen ab, wann und in welchen Fällen an unheilbar kranken Neugeborenen die aktive Sterbehilfe vollzogen werden darf. Dies soll möglich sein, wenn das Leiden unheilbar ist, die Eltern zustimmen und die Meinung eines weiteren, unabhängigen Arztes eingeholt wird. Die Lebensbeendung und die Nachbetreuung der Angehörigen muss ein Arzt vornehmen. Der Kinderarzt Eduard Verhagen, der das Groninger Protokoll seinerzeit maßgeblich ausgearbeitet hat, sprach sich vor der Veröffentlichung unlängst mit dem Justizminister und dem Generalstaatsanwalt der Niederlande ab. Denn er gesteht offen ein, dass aktive Sterbehilfe an Babys schon jetzt auch ohne Gesetz vollzogen werde. »Die Eltern stehen weinend vor den Ärzten und flehen sie an: Bitte bereiten sie diesem Leid ein Ende«, so Sprecherin Kruse gegenüber ND. Mit Rückendeckung von staatlicher Seite wird das Papier nun offen in den Niederlanden diskutiert. Die Regierung in Den Haag will in den nächsten Monaten Stellung zu den Forderungen beziehen. Das Thema ist mehr als brisant. Schließlich fordern Ärzte die aktive Sterbehilfe für einen Personenkreis, der der Tötung selbst nicht zustimmen kann. Ihm wird a priori die Entwicklung und das Lebensrecht abgesprochen. Für Erwachsene ist die Euthanasie seit nunmehr drei Jahren in den Niederlanden möglich. Sie sind neben der Schweiz der einzige europäische Staat, der die aktive Sterbehilfe per Gesetz unter engen Auflagen erlaubt hat. So muss aus ärztlicher Sicht feststehen, dass die Leiden eines unheilbar Kranken und Koma-Patienten unerträglich und ohne Hoffnung auf Besserung sind. Zudem muss der behandelnde Arzt einen Kollegen hinzuziehen und die Sterbehilfe melden. In den Jahren 2002 und 2003 wurde offiziell in etwa 4000 Fällen davon Gebrauch gemacht. Daneben gibt es aber eine große Dunkelziffer. Auch deshalb ist das holländische Modell für den Geschäftsführenden Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, gescheitert. »Man kann individuell ertragenes Leid nicht objektivieren und in einen Gesetzestext gießen«, so Brysch gegenüber ND. Die Einführung, nicht das Groninger Protokoll, sei der eigentliche »Dammbruch« gewesen. Die niederländischen Sozialisten hätten bereits bei der Verabschiedung gewarnt, dass das Gesetz keine Probleme löse, sondern nur neue schaffe. Und tatsächlich: Während die Frage der Neugeborenen geregelt werden soll, fordert eine Regierungskommission bereits die Freigabe der Euthanasie bei psychisch Kranken. Auch in Deutschland mehren sich die Stimmen für eine Zulassung der aktiven Sterbehilfe. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin forderte unlängst gegenüber Brysch eine »S...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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