Verschwunden, zurückgeholt und immer da

Juristischer Streit um Bilder von Otto Nagel vor dem Brandenburger Oberlandesgericht

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Wem gehören 18 Bilder des Kommunisten und proletarischen Malers Otto Nagel? Die Stiftung Stadtmuseum Berlin erhebt Anspruch auf die Werke, und die Tochter des Malers, Sybille Schallenberg-Nagel, ist überzeugt, dass sie zu ihrem Erbe gehören. Da aber nur einer Recht haben kann, müssen die Gerichte diesen Streit ausfechten. Gestern verhandelte das Brandenburgische Oberlandesgericht die Klage der Berliner Museen, nachdem bereits das Landgericht Brandenburg vor zwei Jahren die Herausgabe der Gemälde zurückgewiesen hatte. Der Streit um den Nachlass des Künstlers hat seine Wurzeln in der DDR. Sie verstand sich der Gralshüter proletarischer Kunst und als solcher auch als rechtmäßiger Erbe der Werke des 1967 verstorbenen Otto Nagels. Als Wally Nagel, die aus Leningrad stammende Witwe des Künstlers 1983 starb, wurde das Gesamtwerk Otto Nagels auf rund 2000 Bilder geschätzt. Den Wert legte eine Kommission mit 2,5 Millionen DDR-Mark fest und verlangte von den Erben 1,6 Millionen Mark Vermögenssteuer. Das Nagel-Haus in Biesdorf und über 250 Bilder gingen so in staatlichen Besitz über. Nach 1990 wollte Sybille Schallenberg eine Entschädigung erreichen, scheiterte mit dieser Absicht vor Gericht, da die Forderung nach DDR-Recht nicht zu beanstanden gewesen sei. Jetzt gehören nur noch 40 Nagel-Bilder zum Familienbesitz. Um die umstrittenen 18 Bilder rankt sich eine recht abenteuerliche Geschichte. Sie befanden sich schon vor dem Krieg zum Aufbewahren bei einem Freund Otto Nagels in Westdeutschland. Dieser sollte die Arbeiten veräußern. In den 60er Jahren holte Wally Nagel die Bilder zurück. Das Ministerium für Kultur hatte diese Aktion finanziert und die notwendigen Westmark - etwa 15000 - zur Verfügung gestellt. Damit sei das Märkische Museum als ein Rechtsnachfolger der staatlichen Berliner Kultur Eigentümer der Bilder geworden. Die Arbeiten waren auch für eine bestimmte Zeit in den Archiven des Museums aufbewahrt worden. Doch war schon bei der ersten Verhandlung nicht erkennbar gewesen, was es mit den Geldern auf sich hatte, ob die Bilder damit zurückgekauft wurden und wer dann der rechtmäßige Eigentümer sei. In den Katalogen des Märkischen Museums wurden die Bilder als verschollen geführt. Da das Märkische Museum nicht den Nachweis der Rechtmäßigkeit ihrer Ansprüche nachweisen konnte, wurde die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Die Bilder befinden sich heute auf dem Dachboden eines Gehöfts in Kuwalk im Norden Brandenburgs. Hier lebt das Künstlerehepaar Sybille und Götz Schallenberg seit über 20 Jahren zurückgezogen. Beide arbeiteten zu DDR-Zeiten im Otto-Nagel-Haus am Märkischen Ufer, bis der Streit um das Erbe ihre Beziehungen zur DDR zerrüttete. Ihr heutiger Kampf um die Bilder solle auch dazu dienen, dass die Nagel-Bilder wieder in Museen und Ausstellungen gezeigt werden und nicht in irgendwelchen Depots verstauben. Dafür wurde in Kuwalk ein Otto-Nagel-Archiv eingerichtet. Das Oberlandesgericht hörte sich gestern noch einmal die Argumente beider Seiten an, fällte aber keine abschließende Entscheidung. Die wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Es ließ aber nach Aussagen von Schallenberg-Anwalt Thomas Zebisch klar erkennen, dass es die Kl...

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