SPD knipst bei Protest das Licht aus

Montagsdemonstranten verlangten Rechenschaft vor den Parteibüros

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Bei einem »Tag der Rechenschaft« wurde am Montag in 81 Städten gegen die Sozialpolitik der SPD-geführten Bundesregierung protestiert. In Leipzig blieb jedoch nicht nur der Adressat der Kundgebung fern.

Im dritten Stock brennt kein Licht. »Dort, wo es dunkel ist, sitzt die SPD«, sagt Thomas Rudolph. 300 Leipziger stehen vor dem Haus Rosa-Luxemburg-Straße 19/21 und wollen beim SPD-Unterbezirk eine erste Bilanz nach sechs Wochen Hartz IV abgeben. Die Aktion war als Teil eines bundesweiten »Tags der Rechenschaft« öffentlich angekündigt. Im Aufruf hieß es, man »erwarte«, dass ein »örtlicher Funktions- oder Mandatsträger der SPD anwesend ist«. Um 18.43 Uhr aber sind alle Fenster dunkel: Keiner mehr da bei der Kanzlerpartei. Rudolph, Sprecher des Leipziger Aktionsbündnisses Soziale Gerechtigkeit, ist nur mäßig überrascht. Vier Mal, berichtet er den Demonstranten, habe man die SPD zu Gesprächen oder Debatten eingeladen; nicht einmal einer Antwort sei man für wert befunden worden. Dabei wollten »die Erwerbslosen ihre Position einbringen«, sagt er. Das Aktionsbündnis hat ein achtseitiges »Sendschreiben« verfasst, das die Überschrift »Zum Leben zu wenig« trägt. Hartz IV, heißt es darin, habe in der Stadt bereits nachweislich zu »wachsender Armut« geführt. Die vom Aktionsbündnis konstatierte Empörung bei vielen Betroffenen scheint indes nur bedingt in Widerstand zu münden. Zwar hofft im Februar 2005 auch bei einem Aktionstag niemand mehr auf Teilnehmerzahlen wie im Herbst 2004, als allein in Leipzig 60000 Menschen auf die Straße gingen. Bundesweit 15000 Demonstranten halte er aber für realistisch, sagte Rudolph vor Beginn; für Leipzig sei eine Zahl von 600 Teilnehmern »ausreichend«. Am SPD-Büro haben sich dann nur halb so viele versammelt. Ein Ordner, der die Durchfahrt für die Straßenbahn freihält, sagt ironisch, man wolle wenigstens »die wenigen wertvollen Demonstranten« schützen. Warum die Montagsdemonstrationen, die seit Spätsommer ohne Unterbrechung stattgefunden haben, nach dem In-Kraft-Treten von Hartz IV keinen Aufschwung erleben, ist strittig. Rudolph verweist auf fehlende Berichterstattung in den Medien. Eine 59-jährige Teilnehmerin, die mit ihrem Mann weniger als 600 Euro zum Leben hat und düstere Aussichten für die Zukunft entwickelt, fällt hingegen ein ernüchterndes Urteil. Viele Betroffene richteten sich auch mit den niedrigen Leistungen ein, sagt sie: »Die Ostdeutschen kann man prügeln, die wehren sich nicht.« Die Demonstranten, die sich wehren wollen und dafür auch der Februarkälte trotzen, machen umso stärker auf sich aufmerksam. »Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns sozialabbaut«, skandieren sie. Dass der Sozialabbau von einer SPD-Regierung ausgehe, sei besonders schlimm, sagt Mona Enayat, eine junge Frau, die vor einem Jahr in der Hoffnung in die Partei eingetreten ist, deren Politik beeinflussen zu können. Jetzt verliest sie vor den Demonstranten ihre Austrittserklärung. Selbst als Delegierte eines Parteitages habe sie »nichts ausrichten« können, sagt sie und fügt hinzu: »Diese Partei regiert einfach gegen ihr eigenes Wahlprogramm.« Verlesen werden schließlich auch Forderungen aus dem achtseitigen Papier, mit dem sich die Erwerbslosen am »Monitoring« der Hartz-IV-Umsetzung beteiligen wollen. Bundesweit wird unter anderem die »sofortige Erhöhung des Regelsatzes auf 552 Euro« als »unabdingbar notwendig« bezeichnet. Kindergeld dürfe ebenso wenig angerechnet werden wie Partnereinkommen. Die »Repression gegen Erwerbslose durch Mitarbeiter der Agentur für Arbeit« solle beendet werden. Die Leipziger Stadtpolitik wird unter anderem aufgefordert, auf »Zwangsumzüge« zu verzichten und die vollen Heiz-, Warmwasser- und Stromkosten zu übernehmen. Die SPD, die am Montagabend nicht mehr zu erreichen war, wird von dem Katalog nicht verschont bleiben, vers...

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