Ein »Volksverräter«?

Eginald Schlattner: »Rote Handschuhe«

  • Edith Ottschofski
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Nach seinem erfolgreichen ersten Schubladen-Roman »Der geköpfte Hahn« veröffentlichte der siebenbürgische Autor Eginald Schlattner sein neues Buch »Rote Handschuhe« ebenfalls im Wiener Paul Zsolnay Verlag - ein stark autobiografisch geprägter Bericht über seine Zeit im Gefängnis. Schuldbewusst und demütig klingt schon die Widmung: »Für Susanna Dorothea Ohnweiler, die damals, achtzehnjährig, den Mut und die Liebe hatte, trotz allem meine Frau zu werden.« In der Ich-Form erzählt, deutet Eginald Schlattner (immerhin erst auf Seite 515) an, der Protagonist zu sein. Ende der 50er Jahre trug Eginald Schlattner, damals 26-jährig, als jüngster Zeuge der Anklage maßgeblich zur Verurteilung von fünf siebenbürgischen Schriftstellern zu insgesamt 95 Jahren Zwangsarbeit bei. »Worte als Gefahr und Gefährdung« heißt die im Verlag des Südostdeutschen Kulturwerks bereits 1993 erschienene Aufarbeitung der Akten des Schriftstellerprozesses, der am 15. September 1959 in Kronstadt/Brasov - damals Stalinstadt - stattfand. »Eginald Schlattner wurde vom Gericht am ausführlichsten befragt«, heißt es da, »seine Aussagen fielen weitgehend im Sinne der Anklage aus und wurden zur Untermauerung der Konspirations-Fiktion ausgeschlachtet und genutzt«. Den fünf deutschen Autoren: Andreas Birkner, Wolf von Aichelburg, Hans Bergel, Georg Scherg und Harald Siegmund wurde von der Securitate eine Verschwörung angedichtet, wobei man sie beschuldigte, »Werke mit apolitischen mystischen und nationalistischen Tendenzen und mit doppelsinniger Aussage« veröffentlichen zu wollen, um damit das volksdemokratische Regime zu treffen. Ihre Verurteilung war wohl schon vor Prozessbeginn beschlossene Sache. Eginald Schlattner arbeitet nun die Umstände dieses politischen Schauprozesses literarisch auf. Wenn er sich als Hauptgestalt »outet«, so verfremdet er die Namen der mitbeteiligten Angeklagten - wohl zu ihrem Schutz. So ist zu vermuten, dass Hans Bergel zu Hugo Hügel wird, Georg Scherg zu Getz Schräg, Andreas Birkner zu Oinz Erler, Harald Siegmund zu Herwald Schönmund und schließlich Wolf von Aichelburg zum Baron von Pottenhof. Die Erzählung »Fürst und Lautenschläger« wird zum »Rattenkönig und Flötenspieler«, die Novelle »Aurikeln« zu »Primeln« usw. usf. Ein leichtes Rätselraten also, bei dem die Realität noch greifbar nah ist. Vor allem geht es in dem Buch aber um den Sinneswandel der Hauptgestalt, eines Studenten, der aus seiner Anonymität herausgerissen wird durch seine Verhaftung - »Die große Zeit: sie begann, ohne dass ich es wahrnahm« - und der danach, als »Volksverräter« abgestempelt, vor seinem zerstörten Leben steht. Warum kippt ein Mensch? Einer der, »von allen die hier angeprangert werden, ... das Böse fernhalten will«, weil er sie liebt. Nur, wenn die Verhöre immer länger werden, die Ärzte den an Psychasthenie Leidenden auch im Stich lassen, wenn Hunger und Schläge den Gefängnisalltag bestimmen - wer mag da den ersten Stein werfen? Unter solchem Druck gibt Eginald Schlattner sich die Schuld, seiner antisozialistischen Haltung, und erhebt sich zu einem Engel des Sozialismus. Mit einem Mal ist er überzeugt, dass das Recht auf der Seite der Obrigkeit, seiner Securitate-Peiniger, steht. Und er kommt ihnen mit der gleichen Überzeugung entgegen, mit der er sie vorher abgelehnt hat. So kriegt er seine roten Handschuhe, wie im Gefängnisspiel: »Du legst deine Hände unter die Hand des Gegners, Handteller zu Handteller. Der mit den Händen unten schlägt zu ... Im Nu hatte ich meine roten Handschuhe weg«. Ausführlich, manchmal schwierig für Nichtkenner siebenbürgischer Gegebenheiten, gespickt mit rumänischen und siebenbürgischen Wörtern, liest sich das Buch eigentlich nicht als Roman, sondern als Geständnis. Ein gewagter Schritt an die Öffentlichkeit. Die Leser mögen urteilen! Worte als Gefahr und Gefährdung. Fünf deutsche Schriftsteller vor Gericht. (15. September 1959 - Kronstadt/ Rumänien). Hrsg. Peter Motzan, Stefan Sienerth. Verlag Südosteutsches Kulturwerk München. 33DM. Eginald Schlattner: Rote Handschuhe. Paul Z...

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