Weiterleben mit der Angst

Die 2001 verbotene Nazi-Truppe »Skindheads Sächsische Schweiz« wirkt konspirativ weiter

  • Michael Bartsch, Dresden
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Ein Verbot allein beseitigt die rechte Gefahr in einer der sächsischen Hochburgen nicht. Der PDS-Kreisverband redete über präventive Maßnahmen, Staatsschützer Jürgen Schär über den staatlichen Verfolgungsdruck.

»Der Schoß ist fruchtbar noch...«, überschrieb der PDS-Kreisverband Sächsische Schweiz seine Einladung zu einer Aktivtagung nach Pirna. Am vergangenen Samstag redete man über den Umgang mit rechten Strukturen und der NPD in der Region, die zu den braunen Hochburgen in Sachsen gehört. Erfahrungsberichte zeigen, dass man es nicht nur mit einer salonfähigen NPD und ihrem lokalen Exponenten Uwe Leichsenring als parlamentarischem Geschäftsführer der Landtagsfraktion zu tun hat. Nach wie vor herrscht Angst vor gewalttätigen Übergriffen, umso mehr, als die 2001 verbotene Schlägertruppe »Skinheads Sächsische Schweiz« (SSS) keineswegs endgültig zerschlagen ist. Seit Ende Februar steht mit dem 27-jährigen Daniel Betke eines ihrer brutalsten Mitglieder zum zweiten Mal vor Gericht. Da tröstet es wenig, dass die soeben veröffentlichte sächsische Kriminalstatistik 2004 nur einen Anstieg der Propagandadelikte und einen Rückgang rechter Gewalttaten verzeichnet. Die präventiven Möglichkeiten des Gegensteuerns, über die der PDS-Kreisverband sprach, sind in der Sächsischen Schweiz keine anderen als woanders auch: Aufbau einer toleranten Gegenkultur und Schaffung von Schutzräumen. Beides ließe sich in einem alternativen Jugendzentrum verwirklichen, für das sich ein Verein einsetzt. »Bessere Freizeitmöglichkeiten als die Nazis schaffen«, nennt PDS-Kreisgeschäftsführer Lutz Richter das Ziel zusammen. Der aus der Lausitz stammende Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schär kennt die Angst. In der ersten Prozessserie gegen die SSS hat er Zeugen persönlich begleitet. Als er im Jahr 2000 die Staatsschutzabteilung übernahm, war sein zentrales Anliegen eine Verfolgung der SSS wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 Strafgesetzbuch. »Die Verfolgung von Einzelstraftaten brachte unbefriedigende Ergebnisse und erhellte die Strukturen nicht.« Als die Anklage fertig war, entschloss sich der damalige Innenminister Klaus Hardraht endlich auch zum Verbot der Organisation. Die Verfahren gegen die 42 Angeklagten endeten vor zwei Jahren mit relativ milden Bewährungsstrafen, um im Gegenzug durch Geständnisse Aufschlüsse über die Organisation zu gewinnen. Hat das funktioniert, wenn die SSS nun offenbar konspirativ weiterlebt? Oberstaatsanwalt Schär überrascht diese Neuformierung nicht. »Das konnte man bei solch hartgesottenen Typen nicht anders erwarten.« Ja, seine Arbeit sei eine Sisyphos-Arbeit gegen immer nachwachsende schlimme Kräfte, mit deren Existenz die Gesellschaft auch teilweise leben müsse. Man könne die Strukturen nur immer wieder angehen und den Personenkreis dezimieren. Bei Leuten wie Betke, die nun erneut wegen Straftaten und der Fortführung einer verbotenen Vereinigung vor Gericht stehen, würden überdies die vor zwei Jahren ausgesetzten Freiheitsstrafen wirksam. Wie kompliziert die juristische Verfolgung sein kann, zeigt das wegen anhängiger Klagen noch immer nicht rechtswirksame SS-Verbot von 2001. Daniel Betke musste außerdem wegen unglücklicher Zeugenabsprachen nach vier Monaten vorerst aus der Untersuchungshaft entlassen werden Jürgen Schär wünscht sich deshalb mehr Vertrauen, einen Abbau »linker Phobien« gegenüber Vertretern der Staatsmacht. Und er fordert neben dem »Aufstand der Anständigen« auch den Aufstand der Zuständigen, eine leise Kritik an der mangelhaften Ausschöpfung von polizeilichen Befugnissen zur Gefahrenabwehr. »Der Verfolgungsdruck bleibt hoch«, hält Sachsens Innenminister Thomas de Maizière entgegen und verweist beispielsweise auf die große polizeiliche Durchsuchungsaktion vom 1. Dezember 2004. Einer, der nach einen Hackerangriff im Internet wieder in den Geruch der Verbindung zur SSS geriet, genießt als NPD-Landtagsabgeordneter inzwischen leider Indemnität: Auf dem SSS-Organigramm der Staatsanwaltschaft verweist ein Querpfeil auf Uwe Leichsenring aus Königstein. Das Verfahren gegen ihn war im Frühjahr 20...

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