Noch heute erinnern in Potsdam klaffende Lücken an die Nacht des 14. April 1945. In nur 20 Minuten überzogen britische Kampfflieger Teile der Stadt mit einem verheerenden Bombenteppich. Mehrere historische Bauten wurden zerstört, rund 1700 Menschen starben. Dies alles, weil die Faschisten in ihrem von vornherein aussichtslosen und inzwischen längst verlorenen Angriffskrieg noch immer nicht die Waffen streckten. Morgen gedenkt die Stadt mit einem Konzert und einer Podiumsdiskussion in der Friedenskirche des Tages.
»Eine größere militärische Bedeutung hatte das Bombardement Potsdams nicht. Der Krieg war eigentlich vorbei. Es ging vor allem um die Demoralisierung der Zivilbevölkerung«, meint der Historiker Hartmut Knitter. Von 1957 bis 1999 leitete er die Abteilung Geschichte des Potsdam-Museums. Dem Jahr 1945 gilt Knitters Hauptinteresse. »Das Jahr markiert den gravierendsten Einschnitt in der Geschichte Potsdams.«
Neben dem Bombenangriff sind der Tag der Befreiung Potsdams (1. Mai), die Kapitulation der deutschen Truppen und damit die Befreiung ganz Deutschlands vom Faschismus (8. Mai) und die Potsdamer Konferenz (17. Juli) weitere einschneidende Ereignisse. Für die Erforschung der Bombennacht des 14. April studierte Hartmut Knitter unter anderem alte Berichte der Royal Airforce. »Als Begründung für den Angriff wurden der Sitz des Oberkommandos der deutschen Luftwaffe und weitere wichtige Dienststellen des Dritten Reiches genannt. Zudem sollten wichtige Bahn- und Straßenverbindungen zerstört werden.« Doch das zentrale Abwurfgebiet lag rund um den Alten Markt. »Ein Durchmesser von etwa zwei Kilometern«, schätzt der Historiker.
Getroffen wurden vor allem das Stadtschloss, die heutige Freundschaftsinsel und Straßenzüge um den Alten Markt. Einzig der Potsdamer Hauptbahnhof sei militärisch relevant gewesen, meint Knitter. An Zufall oder mangelnde Ortskenntnisse glaubt er nicht.
Jörg Friedrich, Autor des umstrittenen Buches »Der Brand«, vertritt die These, Potsdam sei als ein Symbol des preußischen Militarismus attackiert worden. Hans-Werner Mihan, der selbst ein Buch über die Bombennacht schrieb, schließt sich dem nicht an und verweist darauf, dass sich der Luftangriff vor allem gegen den Hauptbahnhof richtete. Auch Kurt Ahrlt vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam meint, dass die Briten den Angriff anders geplant hätten, wenn es darum gegangen wäre, den preußischen Ungeist zu treffen. Möglicherweise ging es darum, den Nachschub für die Ostfront zu behindern, denn den Potsdamer Hauptbahnhof passierten Züge mit deutschen Soldaten, die die Rote Armee beim Sturm auf Berlin aufhalten sollten.
»Der Bahnhof war ebenfalls eine totale Katastrophe«, beschreibt der Zeitzeuge Helmut Lembke, damals Schüler am Großen Militärwaisenhaus, seine Eindrücke. »Dort standen brennende und explodierende Munitions- und Lebensmittelzüge. Die Detonationen waren ohrenbetäubend.« Den Angriff flogen insgesamt 490 Maschinen, hauptsächlich vom Typ Lancaster. Rund 1700 Tonnen Spreng- und Brandbomben fielen. »Verheerende Feuerstürme hat es dank der recht breiten Straßen nicht gegeben«, so Knitter. Dennoch zerstörte das Bombardement etwa 20 bis 25 Prozent der Bausubstanz, schätzt er. Wie die Potsdamer das Jahr 1945 erlebten, wird noch bis September in der Ausstellung »Kohldampf und Bombentrichter« im Museum in der Benkertstraße 3 gezeigt. Lebensmittelkarten, Fassadenreste des Stadtschlosses- über 100 Exponate trug Kuratorin Edeltraud Volkmann-Block zusammen.
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