Die Hochfinanz und der »kleine Mann«
Hauptversammlung der Deutschen Bank - Gigant mit unrühmlicher Geschichte und Gegenwart / Die Deutsche Bank musste für ihre Rolle im Faschismus nur kurzzeitig büßen
Die Deutsche Bank ist bis heute einer der umstrittensten deutschen Konzerne. Vor 60 Jahren wollten die Alliierten sie sogar »liquidieren«.
Im faschistischen Deutschland war fleißig gespart worden. »Sparen heißt an die Zukunft denken«, lautete ein Reklamespruch der Deutschen Bank. In einer Anzeige in der Wochenschrift »Das Reich« hieß es noch im April 1945: »Hier dient jeder Verzicht der Kriegführung, auch der auf Geldausgabe. Die dadurch angesammelten Mittel fließen der Kriegsfinanzierung zu, sie ist heute die große Geldausgabe der Nation.« Natürlich fehlte nicht der Hinweis: »Jede unserer Niederlassungen steht Ihnen zur Eröffnung eines Sparkontos zu Verfügung.«Beitrag zur Kriegsfinanzierung
Für die Großbanken war es im Nationalsozialismus jedoch schwierig, das viele Geldkapital lukrativ anzulegen. Bereits im zweiten Kriegsjahr entfielen über 60 Prozent des Geschäfts des schon damals größten deutschen Finanzgiganten auf Forderungen gegen den Nazi-Staat: »Unser unmittelbarer Beitrag zur Kriegsfinanzierung« - lobte sich die Bankspitze 1940 in ihrer internen Bilanz, wie in den Akten im Potsdamer Bundesarchiv nachzulesen ist.
Der Preis, den die Deutsche Bank für politischen Einfluss, Gewinne aus »Arisierungen« und aus Übernahmen von Banken im eroberten Ausland zahlen sollte, schien zunächst angemessen hoch. Als die Finanzabteilung der US-Militäradministration im brütend heißen Juni 1947 ihren Bericht über die Rolle der deutschen Banken im Faschismus - den OMGUS-Bericht - vorlegte, empfahlen die Experten,
»daß 1. die Deutsche Bank liquidiert wird,
2. die verantwortlichen Mitarbeiter als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden«.
Im Osten wurden die früheren Zentralen in Berlin verstaatlicht, im Westen verhinderte der Kalte Krieg die Liquidation. Immerhin konnte die amerikanische Finanz-Abteilung das Gesetz Nr. 57 durchsetzen, welches die drei Großbanken in jeweils zehn oder elf regionale Institute aufteilte und unter Aufsicht stellte. 1957 erlaubten die politischen Wechselfälle die Wiedervereinigung zur Deutschen sowie zur Dresdner und Commerzbank mit Sitz jeweils in Frankfurt (Main). Derweil hatten Bankiers wie Hermann Josef Abs führende Funktionen übernommen, gründeten die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau, die das Kapital aus dem Marshallplan nach Gutdünken verteilte. Mit ihren Industriebeteiligungen bei Daimler, BASF oder Siemens formierten die Kreditinstitute die »Deutschland AG«, um die sich SPD-Chef Franz Müntefering anno 2005 Sorgen macht. Ein Deutsch-Banker saß später auch an der Spitze der Bundesbank, als diese mit ihrer prozyklischen Geldpolitik eine unrühmliche Rolle beim wirtschaftspolitischen Aus der Regierung Willy Brandt spielte.
Die Wende kam mit dem Ratenkredit
1958 kam die eigentliche wirtschaftliche Wende. In diesem Jahr beginnt der Wandel der Deutschen Bank von einem Institut, das vorwiegend der Geschäftswelt diente, zu einer Jedermann-Bank. Die Hochfinanz entdeckte den »kleinen Mann«, bis dahin ein geschütztes Revier für lokale, öffentliche Sparkassen und ländliche, genossenschaftliche Volksbanken. PKK - »Persönlicher Klein-Kredit« - taufte die Deutsche Bank das erste Konsumdarlehen in der Bundesrepublik. Später, zur Zeit des Börsenbooms Ende der 90er Jahre, verlor sie den besagten »kleinen Mann« zwar wieder aus den Augen, aber seit dem Crash im März 2000 gilt das so genannte Massengeschäft erneut als lukrativ.
Damals im Wirtschaftswunderland warb die Deutsche Bank in Farbe um Herrn Jedermann: »Wenn sie Geld brauchen, um sich einen Wunsch zu erfüllen.« Der Kauf von Plüschsofa, Schwarz-Weiß-Fernseher oder Goggomobil konnte fortan per Ratenkredit finanziert werden, abgesichert allein durch die persönliche Kreditwürdigkeit des Kunden. Damals kletterte die Kreditsumme in der Bundesrepublik auf unglaubliche zehn Milliarden D-Mark an. Seither steigt die Verschuldung der Bundesbürger Jahr um Jahr. Heute summieren sich Dispo-, Raten- und sonstige Konsumkredite auf 237 Milliarden Euro - mehr als die Einnahmen des Bundeshaushaltes.
Ebenfalls geblieben ist die Macht der Banken. Hinter den ausländischen Finanzinvestoren verbergen sich oft Aktienfonds hiesiger Banken und Sparkassen, die in Luxemburg aufgelegt werden, weil dort die Zulassung laxer läuft und die Steuerersparnis erheblich ist. Die »Deutschland AG« ist nicht verschwunden, sie hat sich lediglich modernisiert. Und die größte Fondsgesel...
Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.