Harte Typen im Hartz-IV-Städtchen
Kraftdreikampf: AC Lauchhammer als Meister und Hoffnungsträger
In Duisburg werden vom 14. bis 24. Juli die World Games ausgetragen, die Weltspiele von 40 nicht-olympischen Sportarten. In 177 Einzeldisziplinen wie Korfball, Fallschirmspringen oder Karate werden die Sieger ermittelt. 3500 Sportler aus mehr als 100 Nationen sind dabei. ND stellt bis zum Sommer einige der Sportarten vor.
Illusionen über seine Heimatstadt macht sich Frank Hurraß keine. »Lauchhammer ist so ein richtiges Hartz-IV-Städtchen«, seufzt der hünenhafte Mann. Natürlich ist seine Stadt jetzt viel sauberer als damals, vor zwanzig Jahren, als die Braunkohle noch 15000 Leuten in der Umgebung Arbeit gab, aber die Luft war oft staubig und stinkend. »Heute sind wir ein Kurörtchen«, schüttelt er den Kopf. Die Leute ziehen weg von hier. Keine Arbeitsplätze mehr, keine Zukunft in der Lausitz.Und im Sport ist gleich gar nichts los. »Außer uns ist hier nix«, sagt Kraftdreikämpfer Hurraß. Gut, dass er mit dem Athletikclub Lauchhammer noch ein wenig Heimatgefühl geben kann. 180 Kraftsportler trainieren beim Athletikclub, dessen Vorsitzender Hurraß ist - schon seit er 1982, damals noch bei der BSG Aktivist, mit zehn Mann den Kraftdreikampf anfing. Heute sind zwei Drittel der ACL-Sportler Kinder und Jugendliche - Tendenz steigend. Gleichzeitig ist Hurraß auch noch der Vorzeige-Athlet des ACL. 2004 wurde er Weltmeister im Kraftdreikampf und am vergangenen Wochenende gewann er in der Slowakei den Europameistertitel in der Gewichtsklasse bis 125 Kilo.
Dabei ist Hurraß mittlerweile schon 44 Jahre alt. Ein Spätentwickler in seiner Disziplin, auch weil die Förderung noch nie optimal war, weder in der DDR noch im vereinten Deutschland. Der WM-Sieg in Österreich war die Krönung für ihn, er bleibt sein großer Stolz. Davor hatte er zwei Jahre wegen Knieproblemen pausieren müssen. Ans Aufhören hat er in dieser Zeit allerdings nie gedacht. »Ich will den Sport betreiben bis ich tot umfalle«, sagt er. Scherzhaft ist das nicht gemeint. Kein bisschen.
Kraftdreikampf ist ein Sport für ganz harte Typen. Erst kommt die Kniebeuge: Auf den Schultern Hanteln von 300, 400 Kilo tragend, je nach Gewichtsklasse, geht der Athlet in die Hocke, die Beine tiefer angewinkelt als 90 Grad. Wenn der Schiedsrichter das Okay gibt, richtet der Athlet sich prustend wieder auf. Beim drauffolgenden Bankdrücken heben Recken wie Frank Hurraß 210 Kilo in die Luft. Und bei der dritten Disziplin, dem Kreuzheben, liegt der deutsche Rekord in der schwersten Klasse bei 380 Kilo. Dabei muss der Kraftdreikämpfer das Gewicht anheben bis in den Stand, mit durchgedrückten Beinen. Auch hier ist Schluss, wenn der Kampfrichter mit erhobenem Arm »Down!« oder »Ab!« ruft. Ein Wettkampf kann bis zu drei Stunden dauern. Er kann eine Tortur sein.
Dennoch ist der Sport bei den 23000 Einwohnern der »Kunstgussstadt Lauchhammer« ungemein populär. »Der Sport stärkt alle wichtigen Muskelgruppen und er macht den Kids Spaß«, schwärmt Hurraß. »Bis Ende des Jahres werden wir 350 Mitglieder haben«, glaubt er, denn die Stadt gab dem Verein ein altes Kita-Gebäude, dass der sich nun zum Trainingszentrum aufbaut. Unterstützung kommt vom Landessportbund, ein Viertel des Geldes vom »Goldenen Plan Ost«, der Rest vom Verein. 460000 Euro kostet der Umbau. Da ärgert Hurraß schon, wenn er sieht, wie das Geld beim benachbarten FC Energie Cottbus »reingepulvert« wird. »Dabei sind die vor allem ein Wirtschaftsunternehmen«.
Hurraß hofft auf den Trend. Immer weniger Gewichtheber gibt es, dagegen steigt die Zahl der Kraftdreikämpfer. Er setzt auch auf die World Games im Sommer in Duisburg, bei denen die Kraftdreikämpfer sich weltweit präsentieren. Sollte die IOC-Session im Juli in Singapur Kraftdreikampf olympisch anerkennen - nur anerkennen, nicht ins Programm aufnehmen -, könnten die Kraftdreikämpfer sogar auf Förderung durch den Deutschen Sportbund hoffen.
Die olympische Anerkennung könnte ein kleiner Trost für Hurraß sein. Dafür, dass der ACL nicht bei den World Games vertreten ist: Drei Männer und drei Frauen dürfen in Duisburg für Deutschland starten. Keiner kommt vom ACL. Immerhin, Marco Sura aus Dresden trainierte einst in Lauchhammer. Bis er die Stadt verließ.
Kraftdreikampf
Disziplinen: Bankdrücken (WR: 350 kg), Kniebeuge (mit Gewicht, WR: 457 kg) und Kreuzheben (Anheben der Hantel bis in den gestreckten Stand, WR: 408 kg). Am Ende werden die Resultate addiert (WR: 1147,5 kg).
World Games Gewinner 2001: Russland (drei mal Gold) Japan, Finnland, Kasachstan (je ein mal Gold).
Deutsche Beteiligung 2005: Drei Männer, drei Frauen, alle mit Wildcard.
Deutsche Spitzenvereine: Meister ist der AC Lauchhammer (Brandenburg), auch stark: SV Motor Barth, Herrnburger AV, KSV Bochum.
Verbände: National: Bundesverband Deutscher Kraftdreikämpfer e.V., www.bvdk.de. International: Mehrere Weltverbände, bei den World Games - International Powerlifting Federation, www.powerlifting-ipf.com.
Austragungsort: Duisburg, Rheinhausenhalle , 15.7. - 17.7.
Bisher erschienen: Squash (28.4.),Speedskating (7.4.), Rugby (17.3.), Spo...
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