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Gaststätte weg und Thälmann kann bleiben?
Vorschlag zum Sporthaus Ziegenhals / Auch Regionalforscher für den Erhalt der Gedenkstätte am alten Standort
Helmut Becke ist enttäuscht. Als Ortsbürgermeister der zu Königs Wusterhausen gehörenden Ortschaft Niederlehme regiert er auch über Ziegenhals, für die PDS sitzt er im Kreistag von Dahme-Spreewald und seit kurzem ist er auch noch Vorsitzender des Freundeskreises der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals. Dem Baudezernenten des Kreises, Stephan Loge (SPD), schrieb er am 29. März einen Brief. Der Inhalt: Ein Kompromissvorschlag zum Erhalt der Thälmann-Gedenkstätte.
Um die Erhaltungskosten für den privaten Eigentümer zu senken, wäre Becke mit einem Teilabriss einverstanden. Weg könnten die Freiterasse, der große Saal, die Gaststätte und der Küchentrakt. Die sind ohnehin erst 1958/59 entstanden, als man das alte Sporthaus Ziegenhals durch einen Neubau um das historische KPD-Tagungszimmer herum ersetzte. Nach dem Teilabriss müssten Dach und Toilette repariert, eine neue Heizung eingebaut und eine Brandmauer errichtet werden. Kostenpunkt: 45000 Euro.
Bei einer Pressekonferenz, zu der Dezernent Loge und Landrat Martin Wille (SPD) für den 14. April eingeladen hatten, spielte dieser Vorschlag jedoch keine Rolle.
Derweil gibt es neue Entwicklungen, hieß es am Freitag vom Freundeskreis. Es kursieren Ideen zum Erhalt der Gedenkstätte. Von einer Enteignung des privaten Eigentümers ist da die Rede oder von einem Rückkauf, der durch Spenden finanziert werden soll.
Zwar macht der Eigentümer dem Vernehmen nach inzwischen den Eindruck, als ärgere er sich, dass er das Areal im Jahr 2002 kaufte. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass er bereit wäre, das Seegrundstück wieder abzutreten; und selbst wenn, dann bleibt die Frage, ob er mit den 85000 Euro zufrieden wäre, die er einst auf den Tisch legte. Der Mann äußert sich nicht.
Dem Landkreis liegt nur das Begehren vor, das komplette Sporthaus samt Tagungszimmer abzureißen. Nur darüber hat man zu befinden. Über die Auflagen zur Abrissgenehmigung gibt es einen Rechtsstreit zwischen Kreis und Eigentümer. Auch darum steht das Sporthaus noch.
Becke ist indessen nicht der einzige, der enttäuscht ist. »Wir alle finden es befremdlich, dass man den Rat der Historiker völlig außen vor gelassen hat«, schimpft Fred Bruder. Er sitzt am Küchentisch seiner Neubauwohnung in Berlin-Köpenick und schiebt die darauf liegenden Papiere und Bücher hin und her. Es sind Zeitungsausschnitte, fein säuberlich auf Papier geklebt und in Klarsichtfolien gesteckt, Kopien von Briefen, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv lagern und Publikationen über Ernst Thälmann und über die Gedenkstätte Sporthaus Ziegenhals.
Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt sich Fred Bruder intensiv mit diesem Thema. Aber im Streit um die Thälmann-Gedenkstätte hat ihn niemand gefragt. Auch Baudezernent Loge fragte nicht nach, bevor er den Abriss des Sporthauses genehmigte. Das wurmt Fred Bruder. Immerhin hätten er oder das halbe Dutzend Historiker, die zu Ziegenhals forschten, etwas zur Bedeutung der Gedenkstätte sagen können.
Und nicht alles über das Verhältnis von Sozialdemokraten und Kommunisten im Zusammenhang mit der Gedenkstätte ist ausgeforscht. Fred Bruder tippt auf die Kopie eines 1946 handschriftlich von Wilhelm Pieck verfassten Briefes, in dem dieser von dem »Genossen« Wilhelm Mörschel spricht. Sicher, nach dem Zweiten Weltkrieg war der Wirt des Sporthauses Ziegenhals in die SED eingetreten und deshalb 1946 Piecks Genosse. Aber bis 1933 gehörte Mörschel der SPD an, während in zu DDR-Zeiten erschienenen Büchern behauptet wurde, er sei Mitglied der KPD gewesen. Dass Mörschel zur Zeit der illegalen KPD-Tagung in Ziegenhals Sozialdemokrat war, kann Fred Bruder beweisen. Er tippt wieder auf die Kopie eines Briefes, diesmal aus der Feder von Mörschel.
Wegen seiner mit Vehemenz vertretenen Ansichten liegt Fred Bruder mit dem Freundeskreis der Gedenkstätte über Kreuz. Man schloss ihn 1999 aus. Doch über diese Zwietracht hinweg ist man sich einig, dass die Gedenkstätte am bisherigen Standort erhalten bleiben muss.
Eine Verlegung auf ein Grundstück gegenüber oder gar in ein Leipziger Museum, damit will sich Bruder nicht abfinden. Ihm schmeckt auch die Ansicht der Kreisverwaltung nicht, der eigentliche Denkmalwert des Bauensembles bestehe darin, dass man hier Schülern »Herrschaftstechniken des SED-Regimes« erläutern könnte und schützenswert sei demzufolge nicht Thälmanns Aufenthalt in Ziegenhals 1933, sondern der Umgang mit dieser Episode zu DDR-Zeiten. Das sieht Bruder anders.
Dass sich KPD-Funktionäre unter illegalen Bedingungen trafen und über den antifaschistischen Kampf berieten- zu einem Zeitpunkt, wo andere noch zögerten- »das gab es in der Form kein zweites Mal in Deutschland«. Dies sollte im Zentrum einer Ausstellung im historischen Tagungsraum stehen, einer Ausstellung, die neue Erkenntnisse berücksichtigen soll. Wie die Gedenkstätte zu DDR-Zeiten benutzt wurde, müsse da nicht zu sehen sein, findet Bruder. Das könne man in Publikationen abhandeln.
Bruder ist kein ausgebildeter Historiker. Er nennt sich selbst Regionalforscher und ist eigentlich Diplom-Chemiker. Als solcher arbeitete er bis 1990 im Reifenwerk in Berlin-Schmöckwitz. Erst danach beschäftigte sich der heute 47-Jährige intensiver mit der ...
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