Perspektive Go-go?

Traditionskino Kosmos in der Karl-Marx-Allee schließt / »Multifunktionelle« Nutzung geplant

  • Matthias Busse
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
An der Karl-Marx-Allee 131a im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg geht an diesem Mittwoch eine Ära zu Ende: Das 1961/62 erbaute Kino Kosmos schließt. Es war mit fast 1000 Plätzen das größte Filmtheater der DDR. »Die Legende von Paul und Paula« (1973) war einer der vielen Defa-Filme, die dort uraufgeführt worden sind. Auch deutsch-deutsche Kassenschlager wie »Ödipussi« (1988) flimmerten im Osten zuerst im Kosmos über die Leinwand. Nach dem Mauerfall behielt das Haus sein Renommee. Es wurde Festspielort der Berlinale. In jüngster Zeit starteten im historischen ovalen Saal sogar Hollywood-Produktionen: Darunter »Minority Report« (2002) mit Tom Cruise als Deutschland-Premiere. Roland Emmerichs Eiszeit-Vision »The Day After Tomorrow« (2004) erlebte hier ihre eigentliche Welturaufführung. Ironie der erfolgreich klingenden Geschichte: Das 1996 als Kosmos Ufa Palast auf 3400 Plätze in zehn Sälen erweiterte Kino war das erste Multiplex-Kino in Berlin. Nun ist es das erste Multiplex, das schließen muss. Der Eigner, die Ufa Theater AG des Düsseldorfers Volker Riech, beantragte im Mai 2004 Insolvenz. Riech darf sich zu Ursachen der Pleite nicht äußern und verweist an die Düsseldorfer Insolvenzverwalter Metzeler & Partner. Dort bat man in der vorigen Woche, die Anfrage schriftlich zu stellen, antwortete jedoch nicht. Allerdings scheint offensichtlich, dass die Ufa Opfer schwindender Umsätze in der gesamten Branche geworden ist. Im Jahreszeitraum blieben bundesweit nochmals 17 Prozent Besucher weg. Auch das Kosmos hat laut Theaterleiter Wolfgang Hirt rote Zahlen geschrieben. Dennoch hätten Hirt und Belegschaft einen neuen Kinobetreiber für die Sache begeistern können, den hat die Gläubigerbank jedoch abgelehnt. Den Zuschlag bekamen Olaf Ponesky und Mirko Kahle. Das geht aus dem Mietvertrag hervor, der zusammen mit Bauanträgen im Bezirksamt eingereicht worden ist. Weitere Kontakte mit den künftigen Nutzern seien trotz Bemühungen des Bezirksamtes nicht zustande gekommen, klagt Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS). Auch gegenüber ND waren beide Geschäftsleute nicht zu sprechen. Anwohner hätten befürchtet, dass eine Großraumdisko einziehen könnte, sagt die Rathauschefin, da Ponesky und Kahle im A10-Center bei Wildau »The New World« betreiben. Der Veranstaltungsort lockt mit Themen-Partys wie »Kurze Röckchen« oder »Sexy Carwash«. Aus den eingereichten Bauunterlagen gehen für Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) ähnlich frivole Absichten nicht hervor: »Geplant ist unter kompletter Beibehaltung des denkmalgeschützten Gebäudes eine Multifunktionsnutzung.« Der ursprüngliche Kinosaal solle bleiben, die restlichen neun unterirdischen Säle Konferenzen, klassischen Musikveranstaltungen, Jugendweihen und auch Diskos offen stehen. »Ich bin zufrieden, dass dort wieder Leben einziehen wird. Ein Leerstand wäre an dieser Stelle sehr schlimm gewesen«, äußert der Stadtrat. Verständlich lange Gesichter ziehen die 27 Beschäftigten, denen zum Monatsende gekündigt wurde. Sie erstritten sich vor Gericht eine Abfindung in Höhe von gerade einmal drei Gehältern. »Ich habe 17 Jahre Betriebszugehörigkeit. Da ist das fast nichts«, klagt der 47-jährige Hirt. Welchen Personalbedarf die neuen Betreiber haben werden, weiß Hirt nicht. Aber auf der Diskotheken-H...

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