In Italien streiken die Konsumenten
Millionen Verbraucher und Gewerkschaften protestieren gegen sinkende Kaufkraft
Die Protestformen, die dabei gewählt wurden, waren unterschiedlich, da man sich nicht auf ein gemeinsames Programm einigen konnte. Einige Organisationen forderten ihre Mitglieder auf, am Vormittag keinen überflüssigen Strom zu verbrauchen, also keine Waschmaschinen oder ähnliches zu benutzen. Andere riefen dazu auf, nicht zu tanken, nicht zu telefonieren, nicht einzukaufen.
Erfolg: Teuerungsrate ist wieder in aller Munde
Wie weit sich die Italiener daran gehalten haben, wird sich - wenn überhaupt - in den nächsten Tagen herausstellen. Aber einen Erfolg haben die Konsumentenorganisationen, die in ihrer Aktion auch von den großen Gewerkschaften unterstützt wurden, auf jeden Fall erzielt: Das Thema Lebenshaltungskosten und Teuerung ist wieder in aller Munde und es wird darüber diskutiert - obwohl Ministerpräsident Berlusconi erst vor wenigen Tagen wieder erklärte, den Italienern gehe es gut, alle hätten doch Auto und Handy ...
»Der Konsumstreik«, so schrieb gestern die Tageszeitung LUnità, »ist in den vergangenen Jahren ein wichtiges Ereignis mit Symbolcharakter geworden. Er ist das Zeichen dafür, dass es Millionen von Familien schlecht geht und dass sie nicht wissen, wie sie sonst ihrer täglichen Wut darüber Ausdruck verleihen sollen, dass ihre Kaufkraft langsam aber unaufhörlich abnimmt«.
Tatsächlich sind schon seit Monaten viele Italiener in einer Art unfreiwilligem »Konsumstreik«: Der Benzinverbrauch ist in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um sieben Prozent zurückgegangen. Der Bekleidungssektor beklagte dieses Jahr einen Einbruch von über 20 Prozent. Und zum ersten Mal nimmt auch der Konsum von Lebensmitteln ab.
Jede Familie muss 1000
Euro mehr berappen
Dieses Jahr - es ist der fünfte Konsumentenstreik in der italienischen Geschichte - ist diese Wut wohlmöglich noch größer als sonst. Die ins Astronomische gestiegenen Erdölpreise lasten nicht nur auf dem Benzin, sondern werden sich in den nächsten Wochen auch auf viele andere Bereiche niederschlagen. So wurde berechnet, dass in den kommenden Monaten jede italienische Familie mit Mehrausgaben in Höhe von etwa 1000 Euro rechnen muss.
Hinzu kommt weiter, dass die Regierung nicht nur keine Investitionen tätigt, die notwendig wären, um die Konjunktur wieder in Gang zu bringen, sondern auch den Lokalverwaltungen immer weniger Geld zur Verfügung stellt, was zur Folge hat, dass alle Sozialprogramme schrittweise abgebaut werden. »Wir müssen inzwischen entscheiden«, so drückte es kürzlich der Bürgermeister von Rom Walter Veltroni aus, »ob wir ein Loch im Asphalt mehr stopfen wollen oder uns einen weiteren Kindergartenplatz leisten«.
Natürlich kann da ein Konsumentenstreik allein keine Abhilfe schaffen. Aber er ist sicherlich ein weiteres Puzzlesteinchen in dem großen Bild, das zeigt, dass die italienischen Bürger langsam nicht mehr wissen, wo sie den Gürtel jetzt noch enger schnallen sollen.
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