• Frauen-Geschichte(n)

Judith Auer

  • Ruth Hortzschansky
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Vor 100 Jahren, am 19. September 1905, kam meine Mutter Judith Auer, geborene Vallentin, zur Welt. Bereits am 27. Oktober 1944 endete ihr Leben. Die braunen Machthaber in Deutschland ließen sie enthaupten. Judith war das älteste von fünf Kindern einer Künstlerfamilie, Halbjüdin. Sie wuchs, wie ihre Schwester später formulierte, »in Armut, aber auf hohem intellektuellen Niveau« auf. Die Eltern hatten freundschaftlichen Kontakt zu linksbürgerlichen und sozialistischen Schriftstellern, Künstlern und Politikern. Nach dem frühen Tod der Eltern wurden die Kinder von Freunden unterstützt und Judith ein Musikstudium ermöglicht. Sie freundete sich bald mit einem verantwortlichen Funktionär des KJVD, Erich Auer, an, den sie 1926 heiratete. In Leipzig, trat sie dem KJVD bei und betreute u.a. eine Kindergruppe. Auch in Berlin, wohin sie dann mit ihrem Mann zog, wirkte sie im Jugendverband mit, seit 1927 auch in der KPD. 1929 wurde ich geboren. Judith verstand es, politische Arbeit und ihre Liebe zu Mann und Kind in Einklang zu bringen. Sie beteiligte sich an Wahl- und Antikriegsagitationen, vertrieb Zeitungen, unterstützte Streiks, wandte sich gegen die faschistische Gefahr. Zeitweilig wirkte sie in der Agitpropgruppe ihres Cousins Maxim Vallentin »Das rote Sprachrohr« mit. 1934 wurde mein Vater verhaftet und bis Oktober 1935 inhaftiert. Nur mühsam konnte Mutter unseren Lebensunterhalt sichern. Sie gewann Sicherheit und Selbstbewusstsein. 1939 trennten sich meine Eltern. Als sich Anfang der 40er Jahre um Anton Saefkow, der ihre Freundin Aenne heiratete, Kommunisten und andere Hitlergegner zusammentaten, schloss sich meine Mutter ihnen an, gab Illegalen Quartier, beschaffte Lebensmittelmarken und Geld. In ihrem Betrieb, dem Berliner KWO, verbreitete sie Flugblätter, diskutierte mit Arbeitern. Durch den Verrat eines Spitzels fielen meine Mutter und viele ihrer Mitkämpfer in die Hände ihrer Todfeinde. Meine Mutter wurde gefoltert. Mir schrieb sie: »Möge alles Schmerzliche, was...

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