Wo die Stars geboren werden

Art Forum Berlin und die hauptstädtische Kunstszene

  • Matthias Busse
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Patrick-Daniel Baer ist glücklich. Der Dresdner gehört zu den 129 Galeristen aus 25 Ländern, die auf dem gestern Abend eröffneten Art Forum Berlin (bis 3.10.) als Aussteller zugelassen worden sind. Für den Inhaber der Galerie Baer war nicht das finanzkräftigere Köln mit seiner doppelt so großen »Art Cologne« Ende Oktober das Ziel, sondern die deutsche Bundeshauptstadt. »Die Szene von zeitgenössischer Kunst ist in Berlin sehr lebendig, die Anzahl an Galerien überdimensional groß«, schwärmt der 36-Jährige. Über 600 private Aussteller verzeichnet der Berliner Kunstkalender, der in seiner ersten Ausgabe 1991 kaum mehr als 160 Einträge vermerkt hatte. Jedoch können die wenigsten Betreiber von ihrem Handel leben: Bei einer Erhebung des Instituts für Kultur- und Medienmanagement der Freien Universität Berlin unter 300 als professionell eingestuften Galerien Berlins im Jahr 2004 gaben fast 40 Prozent der Befragten an, unter 50 000 Euro Jahresumsatz zu erzielen, wovon meist 50 Prozent Künstlerprovision abgehen. Laut Landesverband Berliner Galerien kostet aber der Galeriebetrieb durchschnittlich 80 000 Euro. Damit erwirtschaften weniger als 40 Prozent in dem Gewerbe Gewinne. Das entspräche angesichts von 300 befragten Galerien immerhin noch mehr als 100 Ausstellungshäusern. Im Vergleich zu Köln mit 70 Galerien oder Dresden mit gut 20 ist das eine stattliche Anzahl. Die oft geäußerte Klage, Berlin sei nicht das Rheinland mit seinem potenten Einzugsbereich bis nach Maastricht und Benelux, stellt sich als Jammern auf hohem Niveau heraus. Doch wie man es auch wendet: Für die einen ist das Glas halb leer, für die anderen halb voll - aber nie voll genug. Noch leben viele der Enthusiasten von der Hoffnung. »Galeriearbeit ist wie ein Marathonlauf«, sagt Marcus Deschler, der Verbands-Vize Berliner Galerien. Viele seiner Mitbewerber blieben auf der Strecke. Entlang der einen Spaziergang von der Museumsinsel entfernt gelegenen Galeriemeile Auguststraße haben außer Deschler noch Wohnmaschine, Völcker & Freunde, Kunstwerke und die Filiale der Leipziger Galerie Eigen + Art die vergangenen zehn Jahre durchgehalten. Auch wenn es sich langfristig für Deschler finanziell gelohnt habe, hält es viele nicht nur wegen des Geschäfts an der Spree. »Kunst ist nicht zuerst eine Ware, sondern ein Kulturgut. Das sollte man der Öffentlichkeit vermitteln«, lenkt der Galerist ein. Und das kann man derzeit am besten in Berlin. Insbesondere neue und junge Positionen bekommen dort Aufmerksamkeit. »Berlin hat diesen Ruf und das Potenzial dazu, sagt Martin Rinderknecht. Der ehemalige Mitarbeiter vom Haus Konstruktiv in Zürich ist nun Leiter der neu gegründeten Preview Berlin in der Backfabrik, einer von drei zeitgleich zum Art Forum veranstalteten kleineren Kunstmessen. Mit emerging artists - aufstrebenden Künstlern - wollen 50 Aussteller aus neun Ländern Trends setzen. Die erfolgreiche Premiere vom Kunstsalon in der Arena und der Berliner Liste 2004 gaben der Szene Mut, den Berlin-Besuchern das zu bieten, was sie in der deutschen Metropole suchen: Das Abenteuer, neue Künstler zu entdecken. Diese sind manchmal in wenig anheimelndem Ambiente versteckt. Für den Dresdner Baer war die 1. Berliner Liste in einer sanierungsbedürftigen Schule anfangs ein »gehöriger Schock«. Doch rückblickend gesteht er: »Es ist sehr gut gelaufen.« Die dort mit Berlin und Köln geknüpften »guten Kontakte« konnte er in bare Münze umwandeln. Aber was ihm noch wichtiger ist: »Berlin ist ein Kommunikationspool.« Es hat sich herumgesprochen, dass sich neue Tendenzen zuerst in Berlin abzeichnen. Nicht selten werden Stars erst im Kontakt zu Kuratoren und Sammlern geboren. Der gebrochene Realismus einer Cornelia Schleime oder eines Norbert Bisky wurde von Michael Schultz groß gemacht, der Leipziger Neo Rauch in Berlin durch Eigen + Art zum Aushängeschild der so genannten neuen deutschen Kunst. Und natürlich kämen inzwischen die Amerikaner nach Berlin, um »New German Art« zu kaufen, sagt Deschler. Der Berliner Kunsthandel befindet sich im Aufwind. Gradmesser dafür ist nicht zuletzt das Art Forum, das sich 2004 auf unter 100 Galerien gesund schrumpfte und ...

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