Bundeswehr sucht »Kanonenfutter« an Schulen

Kampagne wehr sich gegen die Militarisierung des Bildungssystems

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 2 Min.

»Gegen die Militarisierung des Bildungswesens!«. Unter diesem Leitsatz hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die vergangene Woche vom 24. bis zum 29. September zur bundesweiten Kampagnenwoche gegen den wachsenden Einfluss von Bundeswehr und Rüstungsindustrie auf das Bildungssystem erklärt und zu dezentralen Aktionen aufgerufen.

Die Armee nutze vermehrt Auftritte in Bildungseinrichtungen, um »offensiv für den Dienst an der Waffe zu werben und Jugendliche von der Notwendigkeit militärischer Einsätze zu überzeugen«, heißt es in dem Aufruf der Lehrergewerkschaft. Dies sei mit dem zivilen Charakter von Bildung und Forschung gänzlich unvereinbar. Die gesamte Woche über fanden in verschiedenen Städten militärkritische Aktionen statt. In Berlin führte am vergangenen Samstag ein antimilitaristischer Stadtspaziergang durch Mitte zu Orten, wie dem Firmensitz des Rüstungskonzerns EADS, die stellvertretend für die alltägliche Militarisierung der Gesellschaft stehen.

Bereits am Freitag hatten sich rund 30 Menschen an einer Kundgebung des Bündnisses »Schule ohne Militär« auf dem Schöneberger Wittenbergplatz beteiligt. Auf Transparenten waren Sprüche wie »Erziehung zum Krieg? - Nicht mit mir!« und »Bundeswehrfreie Zone Weltweit« zu lesen. Das 2010 gegründete Bündnis aus Lehrer-, Eltern- und Schülerinitiativen engagiert sich gegen jeglichen Einfluss der Armee auf das Bildungssystem. Dass die Bundeswehr an Schulen und Hochschulen um Rekruten wirbt, ist kein neues Phänomen. Mit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht und der Wandlung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einem internationalen agierenden Truppenverband hat die gezielte Werbung aber qualitativ und quantitativ stark zugenommen. So richten speziell geschulte Jugendoffiziere ganze Unterrichtsstunden und Exkursionen in naheliegende Kasernen aus; Bundeswehr-Referenten halten Vorlesungen an Hochschulen ab.

Durch Kooperationsvereinbarungen mit den jeweiligen Kultusministerien wird der Bundeswehr der Zugang zu Schulen und Universitäten zusätzlich erleichtert. Allein 2011 sollen Jugendoffiziere im gesamten Bundesgebiet rund 130 000 Schüler erreicht haben. Verstärkt werden aber auch Lehrende umworben.

Im Jahr 2011 nahmen etwa 11 000 Lehrer an speziellen sicherheitspolitischen Schulungen der Bundeswehr teil. Hinzu kommen kostenfreie mehrtägige Seminare, an denen in diesem Jahr bereits fast 6000 Lehrer teilnahmen. 2009 waren es dagegen »nur« 4721. Solch einseitige Beeinflussung des Lehrpersonals wird von der GEW angesichts des Neutralitätsgebots der Schulen äußerst kritisch gesehen. Unterstützung erhalten die Initiativen gegen die Bundeswehrpräsenz im Bildungsbereich von der Linkspartei.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der LINKE-Fraktion im Bundestag, erklärte sich in einer Pressemitteilung solidarisch: »Die Bundeswehr wirbt immer aggressiver um Kanonenfutter unter Jugendlichen. Die Bundesregierung muss aufhören, den Unterricht zu militarisieren und Schulen immer stärker als Rekrutierungsstätten zu missbrauchen.«

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