Armutsfalle Volkshochschule

Ver.di und GEW kritisieren prekäre Beschäftigung von Integrationslehrern

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie viel kann den politisch Verantwortlichen am Reizthema Integration tatsächlich liegen, wenn sie sich seit Jahren beharrlich weigern, jenen Betroffenen ein existenzsicherndes Einkommen zu zahlen, welche tagtäglich damit zu tun haben? Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) weisen, anlässlich des gestrigen Weltlehrertages, auf die prekäre Situation von Honorardozenten an den Berliner Volkshochschulen (VHS) und bei anderen Anbietern hin.

Besonders Sprachdozenten, die in Integrationskursen Deutsch für Zuwanderer unterrichten, werden laut Gewerkschaften häufig als »unterbezahlte Tagelöhner« beschäftigt. Trotz akademischer Ausbildung und Vollzeitarbeit bleibt vielen Dozenten am Monatsende nur ein Honorar zwischen 800 und 1300 Euro. Lehrkräfte für Integrationskurse verdienen damit im Vergleich zu festangestellten Berufsschullehrern weniger als die Hälfte. Finanziert werden die Sprach- und Integrationskurse, je nach Anbieter, entweder vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder von den Bezirksämtern.

Schon seit Jahren kämpfen ver.di und GEW gemeinsam mit der Vertretung der Berliner Volkshochschuldozenten für einen Tarifvertrag, welcher die Rechte der rund 600 hauptberuflich aber freien Mitarbeiter an den Berliner VHS stärkt. »Es kann nicht sein, dass Dozenten einer Vollzeitarbeit nachgehen und dennoch Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen«, erklärt Beate Stenge, Lehrerin für Sprach- und Integrationskurse sowie Mitglied der VHS-Tarifkommission.

Viele Lehrkräfte sind deshalb notgedrungen auf ein zweites finanzielles Standbein angewiesen. Seit 1992 hat es laut Stenge für die Honorardozenten an den VHS nur einmal eine Lohnerhöhung um sechs Prozent gegeben. »Die ständig steigenden Lebenshaltungskosten deckt dies bei weitem nicht ab.« Doch nicht nur eine schlechte Bezahlung macht den Dozenten zu schaffen. Befristete Arbeitsverträge werden häufig nur für die Dauer eines Kurses ausgestellt, welcher in manchen Fällen auch nur einen Monat dauern kann. Honorarfortzahlungen im Krankheitsfall gibt es nicht.

Derartig prekäre Arbeitsverhältnisse haben natürlich auch Auswirkungen auf die Motivation der Dozenten. Besonders für Sprachlehrer ist ihre Situation häufig mit einem Balanceakt verbunden. »Es ist schon zynisch vor einem Kurs mit Migranten zu stehen und ihnen zu erklären, das Bildung der Schlüssel sei und man selbst eigentlich dafür das perfekte Gegenbeispiel darstellt«, sagt Beate Stenge. Manche Dozenten sprechen ihre wirtschaftliche Lage offen gegenüber den Kursteilnehmern an, obwohl dies auf die Lernenden durchaus demotivierend wirken kann. Weniger gesprächsbereit zeigte sich hingegen bisher der Berliner Senat, obwohl die Missstände schon lange bekannt sind. Bewegung in die Angelegenheit könnte allerdings ein Beschluss des Berliner SPD-Landesparteitag vom vergangenen Juni bringen.

In ihrem Beschluss fordern die Delegierten die sozialdemokratischen Mitglieder des Senates auf, sich für eine Fortsetzung der Verhandlungen um einen Tarifvertrag für die hauptberuflich arbeitenden Honorarkräfte an den VHS einzusetzen. Ein solcher Vertrag zwischen einer Landesregierung und den Vertretern der sogenannten »arbeitnehmerähnlichen« Dozenten wäre in Deutschland bislang einmalig.

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