Graphische Alarmsignale

Arbeiten von Lea und Hans Grundig in der Inselgalerie

  • Peter H. Feist
  • Lesedauer: 3 Min.

Arbeiten von Lea und Hans Grundig zu zeigen, heißt, der heute in Deutschland herrschenden politischen und künstlerischen Meinungsmache zu widersprechen, ist aber dringend notwendig. Nicht nur, weil sie hervorragende Beiträge zur bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts waren, sondern weil sie in ihrer mitreißenden Überzeugungskraft von einer erschreckenden thematischen Aktualität sind. Ihr Realismus ist nicht verbraucht und ihre Warnungen vor Verhängnisvollem werden dringend gebraucht. Die von Ilse-Marie Dorfstecher geleitete Berliner Fraueninitiative Xanthippe hat das Verdienst, in ihrer kleinen Inselgalerie Radierungen des Dresdner Künstlerehepaars aus den Jahren 1933 bis 1938 auszustellen, die von Maria Heiner, einer Dresdner Ärztin und langjährigen Freundin Lea Grundigs, bewahrt werden.

Die jüdische, gegen ihren Vater rebellierende Kaufmannstochter Lea Langer und der Sohn eines Malermeisters Hans Grundig lernten einander als Studenten der Dresdner Kunstakademie kennen, traten in die KPD ein und heirateten 1928. Der Anbruch der Nazi-Diktatur fiel zeitlich mit dem Kauf einer kleinen Druckpresse und dem Erlernen der Radiertechnik zusammen. Da sie als stadtbekannte aktive Kommunisten bald Berufsverbot bekamen, konnten sie nur heimlich schaffen und wenige Abzüge machen.

Der Mut, verbotenerweise künstlerisch zu arbeiten, das nötige Material zu kaufen und das Fertige zu verstecken, ist kaum weniger bewundernswert als die Erfindungsgabe und Gestaltungskraft, mit der sie Hunderte Bilder von den bedrückendsten gesellschaftlichen Problemen schufen. Bilder, die zu den eindringlichsten künstlerischen Zeugnissen für Elend, Terror, Spitzelwesen, Judenhass, Widerstandskraft und Angst vor drohendem Krieg gehören, die jemals entstanden. Mutige Freunde schmuggelten einige Blätter und vor allem ein paar Dutzend Druckplatten ins Ausland. Letztere wurden erst 1965 in Zürich wiedergefunden. Lea ordnete sie nun zu Zyklen und ließ Abzüge drucken.

Die Ausstellung gibt Beispiele für die unterschiedlichen persönlichen Ausdrucksweisen des Ehepaars. Hans nahm oft Tiere als Metaphern für kämpfende, fliehende, grausame oder gemeine Menschen, Lea blieb immer bei der Menschengestalt. Wie übereinstimmend die beiden dachten und sich auch beim Arbeiten gegenseitig über die Schultern schauten, wird so - wie schon vor zweieinhalb Jahren in einer Berliner Ausstellung der Gesellschaft für Bürgerrechte und Menschenwürde - durch einige aufschlussreiche Werkpaare mit einander ähnelnden Themen oder Motiven gezeigt: Das Gefangen-Sein, die Angst im Zimmer vor der Gestapo, die das Haus durchsucht, die triste, bedrohlich wirkende Straße in die Tiefe des Bildes oder das Gewölbe einer Kuppel, die schützt oder bedrückt.

Den Radierungen der 30er Jahre ist noch eine kleine Sensation beigesellt. Maria Heiner konnte bei Reisen nach Israel bisher gänzlich unbekannte kleine hebräische Kinderbücher mit farbigen Illustrationen von Lea Grundig aus den Jahren 1942 und 1943 aufspüren und erwerben. Lea hatte ins damalige britische Schutzgebiet Palästina entkommen können und verdiente sich etwas damit, den aus verschiedenen Ländern geflüchteten Kindern ihre neue Sprache, die auch für Lea neu war, und etwas von den Traditionen der neuen Heimat beizubringen. Die Politik der DDR, die den inzwischen entstandenen Staat Israel ablehnte, veranlasste sie wohl, nur ihrer Freundin davon zu erzählen, die nun dieses Erbe geborgen hat.

Wer schreibt und wer veröffentlicht endlich die umfassende Würdigung einer der beachtenswertesten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts?

Bis 27.10., Inselgalerie, Mitte, Torstr. 207, Di.-Fr. 13.30-18.30, Sa. 13-17 Uhr

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