Wasser-Rekommunalisierung geht nur mit Demokratisierung

  • Mathias Behnis
  • Lesedauer: 4 Min.
Das, was seit Monaten rund um die teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe (BWB) politisch geschieht, spottet allen Zielen der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch und ihrer Unterstützer beim Volksentscheid am 13. Februar 2011. Damals wurde ein Gesetz implementiert, welches u. a. die Offenlegung und auch die Prüfung der Teilprivatisierungsverträge von 1999 durch das Abgeordnetenhaus vorsah. Das Ziel: Eine möglichst kostengünstige Aufhebung der Teilprivatisierung und eine Entlastung der Portemonnaies aller Wassernutzer. Letzteres und auch andere grundlegende Ziele – eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Wasserbewirtschaftung in Berlin, Schaffung von Transparenz, Kontrolle und demokratischer Mitsprache – scheinen nach wie vor in weiter Ferne.

Denn die Vertreter der Koalitionsparteien traten in der nahen und ferneren Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt für oben genannte Ziele ein. Höchstens in bester Polemik. Der nun geplante Deal mit RWE ist weder ausreichend nachvollziehbar noch ändert er etwas an der gewinnorientierten Wasserwirtschaft in Berlin. Die aktuelle Politik ist ein Beleg für den formal-reduzierten Re-Kommunalisierungs-Begriff vieler Politiker. Verstörend ist nicht nur das bewusste Blockieren und Vernachlässigen der von großen Teilen der Bevölkerung eingeforderten Transparenz, demokratischen Kontrolle und Mitsprache im aktuellen politischen Prozess wie auch bei den Wasserbetrieben selbst. Vor allem das offensichtlich weiterhin geltende »Hand-in-Hand«-Motto der verantwortlichen Politik mit den Privaten schreit zum Himmel: ob im Kartellamtsstreit, den Rückkaufverhandlungen mit RWE, dem Gebaren im Sonderausschuss des Abgeordnetenhauses oder im Umgang mit dem wohl auch zukünftigen privaten Mitanteilseigner an den Wasserbetrieben, Veolia.

Frustration macht sich breit. Nicht nur, weil nach Ansicht des Berliner Wassertischs noch immer einige wichtige Vertragsbestandteile vom Senat entgegen der per Volksentscheid durchgesetzten gesetzlichen Vorschrift unter Verschluss gehalten werden. Nicht nur, weil der Sonderausschuss »Wasserverträge« in seinem parlamentarisch-machtpolitisch verschnürten Korsett exemplarisch desinteressiert und unzulänglich dahindümpelt: Die Abgeordneten der Koalitionsparteien SPD und CDU verschleppen bislang gekonnt eine tatsächliche Prüfung der Teilprivatisierungsverträge und blockieren somit ebenfalls die Umsetzung des Volksgesetzes. Nicht nur, weil aussichtsreiche Wege zur juristischen Anfechtung der Teilprivatisierung(sverträge) Mangelware sind. Sondern auch, weil der Senat bei den seit längerem stattfindenden Verhandlungen mit RWE in bekannter Manier wenig Transparenz und Nachvollziehbarkeit walten lässt. Auch, weil sich das Land Berlin als einer der Anteilseigner an den Wasserbetrieben Hand in Hand mit den Privaten gegen die Preissenkungsverfügung durch das Bundeskartellamt versucht, juristisch zu wehren. Auch, weil eine mögliche parlamentarische Besiegelung des Ankaufs der RWE-Anteile in diesem Monat vor einer abschließenden Prüfung der Altverträge und vor einer rechtswirksamen Kartellamtsverfügung voreilig ist, der Kaufpreis als überteuert gilt – ein bedeutender Teil der rund 650 Millionen Euro würden so RWE wohlwollend in den Rachen geworfen. Bezahlen werden das alle Wasserkunden über weiterhin hohe Preise. Und nicht zuletzt auch, weil wohl bezweifelt werden muss, dass das Land Berlin nach einem Ausstieg von RWE tatsächlich auch mehr Einfluss auf die Wasserbetriebe gewinnen wird oder übernehmen will – neben der Frage nach der zukünftigen Wasserpolitik insgesamt: Ein sogenannter Verbraucherschutzsenator klopfte zuletzt in Hinterzimmern schon mal die zukünftige »Arm-in-Arm«-Strategie mit Veolia ab. Vor allem dieses »weiter so« der Berliner Politik, der nicht gewollte Strategiewechsel, der Fortbestand der Beutegemeinschaft aus Land Berlin und Privaten an den Wasserbetrieben, die Intransparenz und Hinterzimmerpolitik sind erschreckend.

All das stärkt die leidliche Einsicht, dass der außerparlamentarische Druck der vergangenen Jahre, von Seiten der Bevölkerung, von der Straße zu wenig gebracht hat. Denn trotz vieler polemischer Bekundungen des Verständnisses für die Interessen der Bevölkerung macht die Politik nahezu weiter wie bisher. Aber: Rekommunalisierung ist nicht gleich Rekommunalisierung. Um eingangs genannte Ziele zu erreichen, muss ein wie auch immer gearteter Anteils-(Rück-)Erwerb an einem Unternehmen durch die öffentliche Hand sowohl im Prozess als auch im Ergebnis von deutlich mehr Demokratisierung geprägt sein, als wir es aktuell in Berlin erfahren. Ein Blick über den Tellerrand, z. B. nach Paris, wäre da hilfreich.

Der Politikwissenschaftler Mathias Behnis ist Aktivist in der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch (www.berliner-wassertisch.net). In der losen Reihe »Gastbeiträge zur Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe« schrieben bisher für »nd« am 21. August Harald Wolf (LINKE), am 27. August Heidi Kosche (Grüne), am 20. September Frank Hüesker (Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung) sowie am 2. Oktober Thomas Rudek (Sprecher der Volksentscheides zum Wasser).

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