Polizeiwache soll Kult werden

Die Adresse der Hoffnung der Kreativszene lautet: Alt Lichtenberg, Rathausstraße 12

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Chancen stehen gut, dass in Lichtenberg ein einzigartiges Liegenschaftsprojekt realisiert wird. Auf gut 6000 Quadratmetern der alten Polizeiwache in der Rathausstraße 12 nahe der Frankfurter Allee könnten - von einer lokalen Initiative getragen - günstige Wohnungen, Ateliers und Büros für Sozial- und Ausbildungsinitiativen sowie eine Kindertagesstätte entstehen. Angesichts jahrelanger Privatisierungs- und Sanierungspolitik im nahen Friedrichshain und der Räumung des Kunsthauses Tacheles in Mitte keimt wieder Hoffnung in der Kreativszene.

Seit Mittwoch sind die Aktivisten des Projekts »Kultwache Rathausstern« noch zuversichtlicher, dass sie ihr ambitioniertes Projekt in die Tat umsetzen können. Bei der monatlichen Sitzung des sogenannten Steuerungsausschusses des Berliner Liegenschaftsfonds wurde an diesem Tag nicht über die Veräußerung des neogotischen Baus aus dem 19. Jahrhundert und des umliegendes Geländes beraten. Die Kiezinitiative geht nun davon aus, »dass ein offenes Bieterverfahren vom Tisch ist«.

Tatsächlich zeichnet sich für die alte Wache ein sogenanntes Konzeptverfahren ab: Nicht das höchste Gebot soll entscheiden, sondern die beste Idee für eine weitere Nutzung der Immobilie. Und an Ideen mangelt es den gut 30 Aktivisten in Lichtenberg nicht. Mit sozialen und kreativen Initiativen wollen sie nach eigener Darstellung »einen Beitrag zu familienorientierter und sozial-nachhaltiger Stadtentwicklung leisten«.

Damit stimmen sie sogar mit dem Senat überein. Erst vor wenigen Wochen hatten sich der SPD-Senator für Stadtentwicklung, Michael Müller, und Finanzsenator Ulrich Nussbaum (parteilos, für SPD) auf ein neues Liegenschaftskonzept geeinigt, das den Konzeptverfahren weitgehend Vorrang geben soll. Auch Baustaatssekretär Ephraim Gothe (SPD) unterstützt dieses Modell im Fall der Lichtenberger Wache.

Für den zuständigen Bezirksstadtrat Andreas Prüfer (LINKE), der Lichtenberg im Steuerungsausschuss vertritt, ist der Ausgang der Sitzung am Mittwoch ein gutes Zeichen. Weil der Weg zum Verkauf noch nicht klar ist, sei das Thema am Mittwoch zunächst außerhalb der Tagesordnung diskutiert worden. Das schaffe Zeit, damit Bezirk, Senat, Liegenschaftsfonds und landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH »ausloten, wie Initiativen wie die ›Kultwache Rathausstern‹ ihr Konzept in den Wettbewerb einbringen können«, sagte Prüfer, der die Initiative vor allem wegen der geplanten Kindertagesstätte unterstützt. In dem betroffenen Teil des Bezirkes Lichtenberg fehlen derzeit gut 400 Kita-Plätze, der Kiez verzeichnet damit eine der höchsten Bedarfsquoten in ganz Berlin.

Aber auch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum macht die Bedeutung des Kiezprojektes aus. In dem Gebäude der alten Wache, das seit der Umstrukturierung des Polizeiabschnitts 64 im Februar leer steht, könnten Wohnungen für fünf Euro netto kalt pro Quadratmeter zu mieten sein, während einige hundert Meter weiter in Friedrichshain Wohnungen nicht selten das Doppelte kosten.

Die Initiatoren des Projekts »Kultwache Rathausstern« werden sich nun verstärkt für ihr Vorhaben einsetzen. Die offensichtliche Abwendung des Bieterverfahrens sei ein »großer Erfolg«, freuen sie sich. Nun drängen sie darauf, die genauen Kriterien für ein Konzeptverfahren zu erfahren.

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