Vorurteil gegen Flüchtlinge aus Serbien

Frühere Ausländerbeauftragte beschwert sich beim Ministerpräsidenten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.

Erst heizen Stichworte wie »Wirtschaftsflüchtling« und »Asylmissbrauch« die Debatte an, dann radikalisieren sich rassistische Einstellungen in der Bevölkerung bis hin zu Gewalttaten. So war es 1992 und so könnte es wieder geschehen - als unmittelbare Folge einer verantwortungslosen Politik.

Das befürchtet Almuth Berger. Die frühere Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg hat einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) geschrieben. Darin beschwert sie sich über Norbert Wendorf, den Leiter der Zentralen Ausländerbehörde. Dieser hatte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärt, die Mehrzahl der Bewohner der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt seien »Wirtschaftsflüchtlinge aus Serbien und Mazedonien, keine politischen wie die Syrer«. So jedenfalls hatte dpa Wendorf in einem am 24. Oktober gesendeten Korrespondentenbericht zitiert, der dann von diversen Tageszeitungen gedruckt wurde.

Berger ist nicht damit einverstanden, dass Wendorf »Roma aus Serbien und Mazedonien politische Motive für ihre Asylanträge absprach«. Der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde prüfe keine Asylanträge. »Seine Einschätzung ist also eine rein private, die unserer Meinung nach in Pressegesprächen nichts zu suchen hat«, betonte Berger im Namen des Flüchtlingsrates Brandenburg, in dessen Vorstand sie sitzt.

Die massenweise Verelendung von Roma durch systematische Ausgrenzung und Diskriminierung in Serbien und Mazedonien sei vielfach belegt, erinnerte die einstige Ausländerbeauftragte. Dort und in anderen Balkanstaaten werden sie bei Bildung, Gesundheitsversorgung und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, habe die EU-Kommission festgestellt. Deshalb kann Berger nicht verstehen, wenn die Bitte von Roma um Asyl als unbegründet angesehen wird. Vom Innenministerium sei zu erwarten, »dass die Hetze gegen Roma«, die in Deutschland Schutz vor Kälte und Elend suchen, nicht betrieben werde, dass sich Mitarbeiter stattdessen in der Öffentlichkeit »verantwortungsbewusst äußern« und dass die Roma durch einen Winterabschiebestopp vor dem Ärgsten geschützt werden.

Die Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) stimmte Almuth Berger zu. Sie sehe auch die Gefahr, dass durch die Verbreitung von Vorurteilen und Klischees ein Klima der Intoleranz geschürt wird, sagte Nonnemacher. Die Abgeordnete meinte, Erfolge durch das Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg« sollten nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

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