Das alte Spiel mit dem »Volkszorn«
Die NPD plant in Wolgast einen Fackelzug - ein Bündnis will sie stoppen
Was sich in den letzten Wochen in Mecklenburg-Vorpommern, speziell um eine Asylbewerberunterkunft in Wolgast aufbaut, erinnert in fataler Weise an den Vorlauf der Lichtenhagener Krawallnächte vom Sommer 1992: Wie damals schüren Neonazis einen »Volkszorn« um eine in einem Wohngebiet gelegene Unterkunft, wie 1992 hat es bereits Warnsignale gegeben - Schmierereien, Böllerbeschuss und Ähnliches. Wie 1992, als die Vietnamesen aus dem »Sonnenblumenhaus« erst das zweite Ziel des Mobs wurden, geht es um Roma vom Balkan - und wie 1992 scheint in den »demokratischen« Parteien, besonders in der CDU, zumindest ein Resonanzraum für diese Stimmungsmache zu entstehen.
Seit Wochen macht die NPD Stimmung speziell gegen die »Angehörigen einer für ihre rastlose Mobilität bekannten Minderheit, die politisch korrekt unter ›Roma‹ firmieren«, wie die Nazipartei zynisch erklärt. Die nächsten Höhepunkte dieser Kampagne »gegen die inländerfeindliche Asylpolitik« sollen ausgerechnet am 9. November ein Fackelzug in der Peenestadt darstellen sowie eine Kundgebung gegen »Asylmissbrauch«. Dieses Wort aber führt auch die Union jetzt wieder im Munde. »Sie wollen unberechtigt das Asylrecht der Bundesrepublik in Anspruch nehmen und damit das in Deutschland geltende Recht und ›politisch tatsächlich Verfolgte‹ aus der ganzen Welt diskreditieren«, erklärte Nordost-Innenminister Lorenz Caffier (CDU) Mitte Oktober über Roma-Flüchtlinge aus Serbien und Montenego in der »Welt«. Seither gibt es nicht nur im Nordosten eine »Debatte« um Visa-Restriktionen für Staaten wie Serbien und Mazedonien. Die bürgerliche »Zeit« etwa glaubt »bei allem Mitleid für die Nöte der Roma« auf der Titelseite pauschal feststellen zu müssen, dass diesen kein Recht auf Asyl zustehe. Dabei ist die Lage schon rechtlich komplizierter, wie nun eine gemeinsame Erklärung von Flüchtlingsräten und migrationspolitischen Verbänden in Erinnerung ruft: Nach den gültigen Kriterien der UN seien nicht nur Krieg und eine gezielte politische Verfolgung Grundlage eines legitimen Flüchtlingsstatus, sondern auch Ausgrenzung und Diskriminierung, wenn eine Person aufgrund dessen »nurmehr begrenzt in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten«, wie es in der Erklärung heißt. Dass dies für serbische oder mazedonische Roma der Fall sein könnte, sei zumindest nicht pauschal ausgeschlossen und dürfe keinesfalls in standardisierten Schnellverfahren sanktioniert werden, so die Erklärung weiter.
In Wolgast will nun ein lokales Bündnis dem NPD-Fackelzug und der »Asylmissbrauch«-Kundgebung mit einem Lampionumzug entgegentreten, die Vorbereitungen laufen. Vergangenes Wochenende haben linke Gruppen im Nordosten bereits ein landesweites Bündnis »Rassisten stoppen - Solidarität mit Flüchtlingen« gegründet. Auf welcher inhaltlichen Plattform sich die Gegenaktivitäten bewegen, war zunächst noch unklar - wie auch die Frage, wie sich die Landes-CDU verhält.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl erkennt in der jetzigen Debatte ein »altes Spiel«: Zuerst lasse ein »CDU-, FDP-, oder auch mal ein SPD-Politiker« Bemerkungen über »Asylmissbrauch« fallen, daraufhin organisiere die NPD eine rassistische Kampagne, von der sich die ersteren selbstverständlich distanzieren, zugleich aber einen weiteren Rückbau des Asylrechts propagieren, um die Rechten nicht zu stärken. »Schritt eins und zwei sind schon erfolgt. Hoffentlich bleibt uns diesmal zumindest Schritt drei erspart«, heißt es bei der Organisation.
Aktuell leben 1528 Asylbewerber mit laufenden Verfahren und 852 ehemalige Asylbewerber mit Duldung in Mecklenburg-Vorpommern. Sie kommen aus Ländern wie Afghanistan, Irak, Syrien, Iran, Serbien oder aus afrikanischen Staaten. (dpa/nd)
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