Einige Not mit Notunterkünften für Flüchtlinge
Linksfraktion besuchte Einrichtung in ehemaligem Polizeigebäude / Hilfsbereitschaft der Grünauer »überwältigend«
Die sechs Feldbetten in dem Raum sind schon schmuddelig. Zu jedem Bett gibt es zwei Decken. Kopfkissen sind nicht vorgesehen. Ein Waschbecken und ein schmaler Tisch stehen noch im Raum. Willkommen in Berlin.
Willkommen in der Notunterkunft für Asylbewerber im Ortsteil Grünau im Bezirk Treptow-Köpenick. Rund 100 Flüchtlinge wohnen hier - in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft aus Serbien, Afghanistan oder Tschetschenien. Acht solche Notunterkünfte gibt es derzeit in Berlin. Weil immer mehr Flüchtlinge neu in die Stadt kommen und weil immer weniger von ihnen eine Wohnung finden. Gestern war die Linksfraktion in Grünau zum Vororttermin.
»So haben wir das Haus vor gut einer Woche übernommen«, erläutert Heimleiter Michael Grunewald, ein engagierter Mittvierziger vom privaten Träger PeWoBe. »Und so«, er öffnet die nächste Tür »soll es einmal aussehen«. In dem Zimmer stehen zwei bezogene Betten. Matratzen und Kopfkissen gibt es selbstverständlich dazu. Auch Tisch, Stühle und Schränke stehen im noch renovierungsbedürftigen Zimmer.
»Aufgabe unseres Trägers ist es, mobile Duschen, Möbel, Bettzeug und alles, was die Bewohner sonst brauchen, heranzuschaffen«, sagte Heimleiter Grunewald. Denn eigentlich steht nirgendwo in einem Berliner Gesetz, dass Notunterkünfte schlechter ausgestattet werden sollen als normale Asylbewerberheime. Das ist derzeit aber nicht nur in Grünau Praxis. Doch von heute auf morgen lässt sich aus einem ehemaligen Polizeigebäude kein Wohnheim herrichten.
Elke Breitenbach, Sozialpolitikerin der LINKEN, kritisiert den Senat. »In Berlin fehlt ein gesamtstädtisches Konzept, wie mit den steigenden Flüchtlingszahlen umgegangen wird«, sagt sie. »Er spricht nicht mit den Bezirken und ignoriert deren Wissen und deren Vorschläge.« So hätte der Bezirk Treptow-Köpenick beispielsweise zwei Immobilien für jeweils 50 bis 60 Bewohner vorgeschlagen, die sich schneller in menschenwürdige und dauerhafte Asylbewerberheime verwandeln lassen als das ehemalige Polizeigebäude in Grünau. Breitenbach kritisiert: »Darauf hat der Senat bisher nicht reagiert. Von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sind Notunterkünfte mit weniger Standards, statt normal ausgestattete Asylunterkünfte gewollt.«
Czajas Sprecherin Regina Kneiding weist die Vorwürfe zurück. »Uns fehlt kein Konzept. Aber täglich müssen wir 50 bis 80 Neuankömmlinge neu unterbringen, so viele wie seit Jahren nicht. Wir suchen auch dauerhafte Asylbewerberunterkünfte. Aber ohne Notunterkünfte, in denen beispielsweise die Kinder nicht zur Schule gehen, geht es derzeit nicht.« Anders als andere Bundesländer will Berlin keine Zelte für Asylbewerber aufstellen und keine Turnhallen belegen. »Das ist eine große Kraftanstrengung. Allein in diesem Kalenderjahr braucht Berlin 1000 Plätze zusätzlich. Und im ersten Quartal 2013 nach vorsichtigen Schätzungen noch einmal vergleichbar viele.«
Heimleiter Michael Grunewald öffnet eine neue Tür. Das Spielzimmer für die 38 Kinder des Heimes. Im Moment liegt hier viel Spielzeug durcheinander, das Grünauer Nachbarn gespendet haben. »Heute Abend hole ich eine Eckcouch ab, ebenfalls eine Spende eines Nachbarn«, sagt er. Die Spendenbereitschaft der Grünauer habe ihn »geradezu überwältigt«, sagt der Heimleiter. Ein ganzer Raum ist mit Kinderkleidung belegt. »Morgen darf sich jedes Kind von Kopf bis Fuß neu einkleiden«, kündigt er an. Auch LINKE-Fraktionschef Udo Wolf zeigt sich beeindruckt von dem zivilgesellschaftlichen Engagement. »Aber es wäre Aufgabe des Senates, die Leute zu versorgen.«
Die Linkspolitiker kritisieren auch die mangelnde Ausstattung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, das die Flüchtlinge auf die Heime verteilt und für die Versorgung zuständig ist. »Dort gibt es zu wenige und völlig überlastete Mitarbeiter sowie lange Wartezeiten für Flüchtlinge.« Das bestätigt auch der Heimleiter. »Viele Anliegen ließen sich auch am Telefon klären. Aber es ist völlig unmöglich, telefonisch durchzukommen, obwohl ich alle Durchwahlen habe.« Die Folge: Er muss die Bewohner wegen jedem Anliegen durch die halbe Stadt schicken.
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