Intensiv und beklemmend
»echos« heißt die aktuelle Abschlussausstellung der Absolventen der Ostkreuzschule für Fotografie
Die Ausstellung »echos« lädt im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie in ein leerstehendes ehemaliges Kaufhaus am Kreuzberger Oranienplatz. Auf drei Etagen präsentieren zwanzig Absolventen der Ostkreuzschule ihre fotografischen Positionen. Über ein Jahr lang setzten sich die Studenten der Klassen von Prof. Ute Mahler, Sibylle Fendt und Thomas Sandberg mit ihren Arbeiten intensiv auseinander. Die thematische Vielfalt ist dabei enorm. Im Gedächtnis bleiben vor allem die starken Reportagen; »The Travellers« von Birte Kaufmann, die hier einen Einblick in das Leben einer irischen Minderheit bietet, die einen nomadischen Ursprung hat und auf Reisen lebt.
Oder auch »Hurtland« von Kevin Mertens, der mit dieser Geschichte über Verlust und Kampf, Hoffnung und Stärke in der amerikanischen Kleinstadt Burlington in Iowa seinen eigenen Wurzeln nachspürt. Selbst Mark Alkers großformatige Bilder von leeren Gerichtssälen haben einen erzählerischen Anspruch und gehen weit über statische Architekturfotografie hinaus. Der studierte Jurist zeigt Orte, an denen sich »das gesellschaftliche Regelwerk manifestiert und nicht selten existenzielle Entscheidungen getroffen werden, die die persönliche Zukunft von Menschen prägen«. Mit Abstand am längsten haften im Kopf jedoch die Bilder von Stephanie Steinkopf, die in »Manhattan - Straße der Jugend« die Bewohner einer Plattenbausiedlung im Oderbruch porträtiert.
Einst als Prestigeobjekt geplant, liegt die Siedlung heute in einer der strukturschwächsten Regionen des Ostens, die Bewohner sind größtenteils seit vielen Jahren arbeitslos und entsprechend arm. Für die damit einhergehende soziale und kulturelle Verwahrlosung hat die Künstlerin starke Bilder gefunden, die so intensiv wie beklemmend sind und deren Wirkung man sich nicht entziehen kann. Selten sieht man eine gesellschaftliche Situation fotografisch derart auf den Punkt gebracht wie bei dieser Arbeit. Es wird kein Zufall sein, dass man von den anderen Fotoschulen in Berlin kaum noch etwas hört, während die Ostkreuzschule in der Fotografenszene schon nach wenigen Jahren höchste Anerkennung genießt.
Als 2005 die private Ostkreuzschule für Fotografie von Mitgliedern der gleichnamigen Fotoagentur gegründet wurde, war das durchaus ein Wagnis, gab es doch schon damals gleich mehrere konkurrierende Schulen dieser Art in Berlin, die auf die wachsende Bedeutung von Bildern in der modernen Medienwelt reagierten und Fotografen ausbildeten. Nachdem nun der mittlerweile sechste Jahrgang seine Abschlussarbeiten in dieser bemerkenswerten Ausstellung präsentiert, kann man konstatieren: das Wagnis hat sich gelohnt. Das größte Kapital der Ostkreuzschule sind dabei ihre Dozenten, lehren oder lehrten doch hier so erfahrene und bekannte Fotografen wie Ute und Werner Mahler, Thomas Sandberg sowie Sibylle Bergemann und Arno Fischer. Diese und andere Fotografen brachten nach der Wiedervereinigung eine Bildsprache mit in die gesamtdeutsche Fotolandschaft ein, die der Agentur Ostkreuz und ihrer Schule heute ihre hohe Reputation weit über die Grenzen des Landes hinaus verliehen hat.
Ostkreuz-Fotografie zeichnet sich dem eigenen Anspruch nach vor allem durch das genaue Hinsehen, die soziale Genauigkeit und dichte Beschreibung der Realität aus.
bis zum 17.11., Oranienplatz 17, 10999 Berlin, Mo.-Fr. 14-21 Uhr, Sa. + So. 12-21 Uhr, www.echos-ausstellung.de
Hinweis: Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie kann die preisgekrönte Ausstellung zur »Fruchtstraße« im Foyer des nd-Gebäudes am Mehring-Platz 1 besichtigt werden.
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