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Vorstände sollen wieder Weisungen befolgen

Initiative will Wohnungsgenossenschaften zurück zu ihren Wurzeln führen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Basisinitiative will Wohnungsbaugenossenschaften auf die Schaffung und Bereitstellung preiswerten Wohnraums verpflichten.

Einst waren Wohnungsbaugenossenschaften ein Instrument der Selbsthilfe, um für ärmere Bevölkerungsteile preiswerten, dauerhaft sicheren Wohnraum in angemessener Qualität zu schaffen. Sie waren demokratisch verfasst, die Mitglieder hatten unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftspolitik und entschieden auch über Miethöhe und Investitionen.

Doch mittlerweile agieren die meisten Wohnungsbaugenossenschaften als »normale« Akteure auf dem Wohnungsmarkt und streben marktübliche Renditen an. Wohnen wird auch in Genossenschaften immer teurer.

Um diese Entwicklung zu stoppen, will die Initiative »Genossenschaft von unten« eine umfassende Reform des geltenden Genossenschaftsrechts auf den Weg bringen. Im Mittelpunkt steht dabei der Paragraf 27 des Gesetzes, der den vom Aufsichtsrat bestellten Vorständen quasi unbeschränkte geschäftliche Handlungsfreiheit einräumt. Die Folgen dieser Entwicklung schilderte Thomas Hoch von der Initiative am Mittwochabend auf einer gut besuchten Veranstaltung im Bürgersaal des Rathauses von Berlin-Spandau. Längst orientierten sich die meisten Genossenschaften an ortsüblichen Vergleichsmieten statt an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder. Enorme Preissprünge bei Neuvermietungen seien an der Tagesordnung wie Luxusmodernisierungen, Neubauten im oberen Preissegment und die Verdrängung von einkommensschwachen Mietern, die bei Zahlungsverzug aus den Genossenschaften ausgeschlossen werden können und auf diese Weise ihr Wohnrecht verlieren.

Sigurd Schulze von der Initiative forderte eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen genossenschaftlichen Strukturen. So hätten die Generalversammlungen bis zu einer Gesetzesnovelle im Jahr 1973 das Recht gehabt, dem Vorstand Weisungen zu erteilen. Dies müsse wieder eingeführt werden. Schließlich seien die Vorstände »Angestellte der Mitglieder und nicht ihre Chefs«. Ferner müsse das Quorum für die Einberufung von Vertreter- bzw. Generalversammlungen deutlich abgesenkt werden, da dieses mit zehn Prozent aller Mitglieder viel zu hoch und besonders in großen Genossenschaften mit räumlich weit auseinanderliegenden Objekten kaum zu erreichen sei. Die Initiative arbeitet an konkreten Gesetzesvorschlägen und einer Mustersatzung für Wohnungsbaugenossenschaften.

Auch Ida Schillen, die sich im Bundesvorstand der LINKEN hauptsächlich mit Fragen der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und Wohnungspolitik beschäftigt, unterstützte die Forderungen der Initiative. Die Stadtplanerin und ehemalige Rostocker Senatorin forderte darüber hinaus ein radikales Umdenken in der Wohnungspolitik. Stetig steigende Mieten seien weder durch Finanzierungs- noch durch Modernisierungskosten zu rechtfertigen, sondern Folgen einer »seit Jahrzehnten betriebenen aggressiven Liberalisierungspolitik.« Ohnehin sei »Wohnen ein Menschenrecht und muss Markt und Profit entzogen werden.« Schillen, deren Positionen in der Partei nicht unumstritten sind, forderte gesetzliche Mietobergrenzen zwischen vier und sechs Euro nettokalt sowie ein rigoroses Verbot der Zweckentfremdung und der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Dies hätte auch den Effekt, dass die Spekulation mit Wohnraum wirtschaftlich uninteressant würde. Parallel dazu müssten die Kommunen angehalten und in die Lage versetzt werden, den Anteil des Wohnungsbestandes in öffentlicher Trägerschaft massiv zu erhöhen. Schillen will sich dafür einsetzen, dass diese Positionen auch Niederschlag im Bundestagswahlprogramm der LINKEN finden.

Im Internet: www.genossenschaft-von-unten.eu

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