Energietisch unter Spannung

Initiative will nur nach beschlossenem Gesetz Volksbegehren zurückziehen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein schriftliches Angebot der Koalitionsfraktionen liegt beim Berliner Energietisch nicht vor. »Es ist noch nichts gekommen«, sagt Michael Efler, die Vertrauensperson des Energie-Volksbegehrens. Dabei hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh am vergangenen Donnerstag ein solches Schriftstück zugesagt. Quasi als schriftliche Verhandlungsgrundlage für die derzeit laufenden Gespräche zwischen Fraktionen und dem Bürgerbündnis Energietisch, bei dem inzwischen 43 Initiativen und Organisationen mitmachen.

Bei diesen Runden drückte die Große Koalition bislang kräftig auf die Tube. Am liebsten hätten SPD und CDU bereits am 22. November einen Gesetzesentwurf zur Energie ins Abgeordnetenhaus eingebracht, der Teile des Volksbegehrens aufgreifen soll. Im Gegenzug sollte der Energietisch auf eine Fortsetzung des Volksbegehrens verzichten. Seitdem das Bündnis im Sommer 30 660 gültige Unterschriften für eine ökologische, soziale und demokratische Energieversorgung eingereicht hatte, ist viel Bewegung in die Debatte um die Energiezukunft und die Rekommunalisierung der Stromnetze in Berlin gekommen.

So einigten sich SPD und CDU etwa Ende September auf eine ernsthafte Bewerbung für die 2014 auslaufende Konzession der Stromnetze, überdies soll das Land Berlin nach dem Willen der Regierungsfraktionen auch wieder ein eigenes Stadtwerk aufbauen, das Ökostrom für die Hauptstadt produziert. Beide Forderungen finden sich auch im Energievolksbegehren wieder.

»Wir freuen uns, dass die Regierungsfraktionen mit einem schlagkräftigen Unternehmen im Besitz des Landes Berlin den Wettbewerb um das Berliner Stromnetz gewinnen wollen«, sagt der Sprecher des Energietisches, Stefan Taschner. Ebenso sei die Gründung von Stadtwerken zu begrüßen. Bevor die Initiativen einlenken, müsse jedoch geklärt werden, wie die Koalitionsfraktionen das Vorhaben konkret umsetzen wollen. Denn trotz aller Bewegung steht für die Vertrauensperson des Volksbegehrens, Michael Efler, fest: »Bevor es nicht ein beschlossenes Gesetz mit unseren Forderungen gibt, werden wir das Volksbegehren nicht zurückziehen.«

Nun ist es naturgemäß bei Verhandlungen so, dass selten 100 Prozent des Geforderten durchgesetzt werden können. Absolut inakzeptabel wäre aber für den Energietisch beispielsweise eine Kooperation des Landes beim Stromnetz mit einem Energiekonzern, der Atomstrom produziert. Auch eine demokratische Kontrolle der neuen Netzbetriebe und Stadtwerke ist dem Energietisch ein Anliegen. »So etwas wie bei den Wasserbetrieben wollen wir nicht noch mal erleben«, sagt Michael Efler mit Blick auf die fatale Teilprivatisierungsstrategie bei den Berliner Wasserbetrieben.

Doch trotz allen Selbstbewusstseins des Energietisches steht der Zusammenschluss durch die Verhandlungen auch selbst unter Spannung: Schließlich muss das heterogene Bündnis klären, welche Inhalte des Volksbegehrens ausreichen, um die Verhandlungen als erfolgreich zu werten. Sollten die Gespräche dagegen platzen, dürften SPD und CDU danach den Energietisch dafür verantwortlich machen und diesen öffentlich als »politikunfähig« brandmarken.

Indes ein Szenario, dem das Bündnis entspannt entgegenblickt: Über 500 Sammler haben sich schon bereit erklärt, ab dem Frühjahr die nötigen 170 000 Unterschriften für einen berlinweiten Volksentscheid zu sammeln, der dann im Herbst 2013 stattfinden könnte. Der Energietisch sieht sich auch nicht selbst unter Zugzwang, sondern den Senat. Denn wie die Landesregierung mögliche Beschlüsse der Fraktionen umsetzen will, sei unklar. Auf eine Anfrage von Harald Wolf (LINKE) im Abgeordnetenhaus hatte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (für SPD) jüngst Vorschläge zu Stadtwerken und Netzen als »interessante Idee« bezeichnet. Richtig befasst hat sich der Senat damit jedoch noch nicht.

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