Neues Konfliktfeld Golan
Aufständische verwickeln syrische Truppen in Kämpfe an Grenzregion zu Israel
Zivilisten, die nahe dem israelisch-syrischen Grenzgebiet an den Golanhöhen leben, schilderten der Autorin ihre Wahrnehmung, wie die syrische Armee von bewaffneten Aufständischen in diese Auseindersetzung hineingezogen wird. Omar war 25, als er in dem kleinen Ort Berajam auf dem syrischen Golan Anfang des Monats erschossen wurde. Der junge Mann, Arbeiter in einer Fabrik, war in Damaskus zu Hause. Er lebte bei seinen Eltern in Hadj al-Aswat, einem ärmlichen Vorort von Damaskus. Als bewaffnete Widerstandsgruppen im Sommer dort einsickerten und die syrische Armee versuchte, sie zu vertreiben, flohen Omar und seine Familie nach Berajam zu Verwandten.
Omar stammte aus einer syrischen Familie tscherkessischer Herkunft, die sich vor Generationen auf dem syrischen Golan angesiedelt hatte. 1967 wurde sie von der israelischen Armee von dort vertrieben. Der syrische Staat hatte für die Flüchtlinge nahe der von den Vereinten Nationen ausgehandelten Waffenstillstandslinie neue Dörfer gebaut: Berajam, Brka und Qahtana. In dem ruhigen, idyllisch im Grünen gelegenen Berajam wohnten Verwandte von Omar. Wie viele Tscherkessen aus Damaskus hatten er und seine Eltern dort Feier- und Ferientage verbracht. Berajam schien der Familie ein sicherer Ort, der überdies mit den Aufständischen nichts zu tun haben wollte.
Für die Einwohner war das Leben ruhig - bis Anfang des Monats bewaffnete Gruppen in die Dörfer eindrangen. So erzählen es Einwohner aus Berajam, die inzwischen nach Damaskus geflüchtet sind. Die Kämpfer umgingen die UN-Kontrollen und drangen durch Wälder in die entmilitarisierte Zone vor, die sich entlang der Grenze zum von Israel annektierten Golan erstreckt. Ursprünglich kamen sie wohl aus Jordanien, vermutet ein Gesprächspartner.
Die Leute aus Berajam versuchten zu fliehen, was die Kämpfer unter Drohungen verhindert hätten. Die Familien brachten sich schließlich in Schutzbunkern in Sicherheit, die der Staat ihnen wegen der Gefahr eines Krieges mit Israel gebaut hatte. Die Rebellengruppen, so wird erzählt, hätten sich in den Wäldern nahe der Grenze zu Israel verschanzt und von dort mit Granatwerfern die syrischen Regiertungstruppen beschossen. Diese hätten daraufhin Panzer geschickt.
Eine Woche lang hielten die Einwohner von Berajam in den Bunkern aus. Vermittlungen scheiterten ebenso wie Hilfslieferungen des Syrischen Roten Halbmondes, weil sie von den Aufständischen nicht durchgelassen wurden. Busse, die die Bevölkerung evakuieren wollten, wurden beschossen. Die Flucht aus dieser Belagerung gelang erst, als eines Tages dichter Nebel aufgezogen war. Allein Bauern, die ihre Höfe und ihr Vieh nicht verlassen wollten, blieben zurück.
Fünf Tote haben die Einwohner von Berajam trotzdem zu beklagen. Omar und zwei andere junge Männer wurden erschossen, als sie sich vor die Tür des Bunkers wagten. Ein weiterer Mann wurde von Scharfschützen in seinem Auto getötet. Der fünfte Tote ist Mohammad Said, ein Religionslehrer von der Universität in Damaskus, der das Wochenende in Berajam verbrachte, als die Kämpfer einfielen. Er ist der Bruder des Islamgelehrten Scheich Jawdat Said - in Syrien bekannt als Vertreter der Ethik der Gewaltlosigkeit.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.