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Geschützte Minderheiten

Sinti und Roma in Landesverfassung aufgenommen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 2 Min.
Schleswig-Holstein nimmt als erstes Bundesland Sinti und Roma als geschützte Minderheiten in seine Landesverfassung auf.
Der schleswig-holsteinische Landtag hat am Mittwoch um 10.20 Uhr Geschichte geschrieben: Als erstes Bundesland hat das Parlament einstimmig seine Landesverfassung geändert und dort den Schutz und die Förderung der Sinti und Roma als Minderheit festgeschrieben. Damit wird der im nördlichsten Bundesland auf rund 6000 Menschen geschätzten Volksgruppe die gleiche Behandlung wie den Minderheiten der Friesen und der dänischen Südschleswiger zuteil. Erst der sechste parlamentarische Anlauf seit 1998 und eine 22-jährige Beratung darüber waren damit erfolgreich.

Der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma, Romani Rose, bezeichnete die Verfassungsänderung als ein historisches Zeichen, das nach ganz Deutschland und in die EU-Staaten hinausstrahle. Er machte auf die in vielen Ländern zunehmende Verfolgung, Ausgrenzung und Diskriminierung aufmerksam, die in jüngster Vergangenheit zu Gewaltakten und sogar wieder zu Todesopfern geführt habe. Seine Botschaft an die Parlamentarier in Schleswig-Holstein: »Sie stellen sich mit ihrer klugen Entscheidung nicht vor eine Minderheit, sie stellen sich vor die Demokratie!« Der Beschluss könnte nun für andere Bundesländer und Stadtstaaten ein Signal sein, die Gleichbehandlung und Teilhabe der Sinti und Roma ebenfalls verfassungsrechtlich zu gewährleisten.
Jahrelang war die Initiative in Schleswig-Holstein am Veto oder an der Enthaltung aus den Reihen der CDU gescheitert. Das dort überwiegende Argument war, dass die Sinti und Roma keine landestypische Volksgruppe wären. Die erste urkundliche Erwähnung aus Lübeck ist dabei aus dem Jahr 1417 überliefert. Die nunmehr verfassungsrechtlich geltende Schutzversprechung gilt im Übrigen nur für Sinti und Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Der Vorsitzende des nördlichsten Landesverbandes der Sinti und Roma, Matthäus Weiß, forderte ein Ende der Roma-Abschiebungen. »Das macht die Menschen krank; ich kann schon gar nicht mehr schlafen«, sagte der 63-Jährige. Der Flüchtlingsrat in Schleswig-Holstein setzt sich ebenfalls für einen sofortigen Abschiebestopp von Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien ein. Flüchtlingsrats-Geschäftsführer Martin Link erinnert daran, dass Menschenwürde unteilbar sei. »Wer mit Blick auf historische Verfolgung den Schutzanspruch deutscher Sinti und Roma anerkennt, darf die Augen vor aktuellen Schutzbedürfnissen Betroffener derselben ethnischen Minderheit nicht verschließen.«

Romani Rose hofft nun, dass die rechtliche Gleichstellung in der Praxis eine steigende Akzeptanz seiner Volksgruppe in der Öffentlichkeit zur Folge hat und sich auch immer mehr Sinti und Roma offen zu ihrer kulturellen Herkunft bekennen, die dies aus Angst bisher noch verschwiegen haben.
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