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Ex-Schatzmeister der Grünen soll Zuhälter sein

Neue Vorwürfe im Prozess wegen Veruntreuung von Parteigeldern

  • Marion van der Kraats, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Paukenschlag im Prozess gegen den Ex-Schatzmeister der brandenburgischen Grünen: Fahnder prüfen, ob der Angeklagte als Zuhälter tätig ist. Der Prozess ist zunächst unterbrochen.

Gegen den wegen Veruntreuung von Parteigeldern angeklagten Christian Goetjes gibt es neue Vorwürfe. Er soll in Berlin einen Escort-Service mit bulgarischen Prostituierten betreiben. Hinweise darauf hat die Staatsanwaltschaft Potsdam vom Berliner Landeskriminalamt (LKA) erhalten, wie der Vorsitzende Richter Jörg Tiemann am Donnerstag im Prozess vor dem Landgericht mitteilte. »Es gibt Anhaltspunkte, dass der Angeklagte Huren für Haus- und Hotelbesuche vermittelt«, sagte Richter Tiemann zur Überraschung aller. Der Prozess wurde zunächst bis zum 26. November vertagt.

Der 34-Jährige steht vor Gericht, weil er zwischen Januar 2010 und Februar 2011 insgesamt knapp 274 000 Euro Parteigelder abgezweigt haben soll. Der frühere Schatzmeister hat schon gestanden, sich systematisch an Konten und Kasse bedient zu haben - angeblich, um zwei befreundeten Prostituierten zu helfen. Sich selbst stellte der Angeklagte als mittellos dar. Er lebe von Hartz IV. Bei Zahlung von Schadenersatz an die Grünen werde er von den Eltern unterstützt.

Nun hat das Gericht aber Unterlagen von der Staatsanwaltschaft erhalten, die ein ganz anderes Bild zeichnen. Danach gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Goetjes als Zuhälter bulgarische Prostituierte über zwei Internetadressen vermittelt. Termine soll der 34-Jährige über ein Telefon ausgemacht haben, das auf den Namen seiner Mutter angemeldet ist. Zudem soll er die Frauen selbst zu den Freiern fahren, auch die Höhe des Dirnenlohns festlegen und sich die Hälfte auszahlen, berichtete Richter Tiemann aus den Unterlagen. Selbst nach Beginn des Prozesses soll Goetjes noch als Zuhälter tätig gewesen sein.

Auch die Staatsanwaltschaft wurde von den neuen Vorwürfen überrascht. Ein Berliner LKA-Fahnder habe sich an die Behörde gewandt, nachdem eine Frau in der Abteilung Organisierte Kriminalität Anzeige gegen Goetjes erstattet habe. »Das war eine wirklich gute Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg«, erklärte Behördensprecher Helmut Lange. Die Zeugin soll nun am 27. November vor Gericht gehört werden.

Goetjes schwieg zunächst zu den Vorwürfen. Sie könnten in ein weiteres Verfahren gegen ihn münden - allerdings in Berlin. Für den Potsdamer Prozess sind sie von Belang, was die Glaubwürdigkeit des Angeklagten und seines Geständnisses betrifft. Das Gericht verschärfte die Bedingungen dafür, dass Goetjes auf freiem Fuß bleiben kann. Er darf keinen Kontakt zu der neuen Zeugin aufnehmen.

Die Grünen wollten sich zunächst nicht zu den neuen Vorwürfen äußern. Eigentlich hatten die Landesparteichefs Annalena Baerbock und Benjamin Raschke gestern als Zeugen aussagen sollen. Nach der überraschenden Wende will das Gericht sie nun am 26. November anhören.

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