Werbung

Millionengrab Tivoli

Drittligist Alemannia Aachen beantragt wegen Schulden nach Stadionneubau Insolvenz und steigt ab

  • Thomas Weitekamp und Nicolas Reimer, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Spieler reagierten geschockt, die Fans wüteten vor dem Stadion: Fußball-Drittligist Alemannia Aachen muss wegen einer Liquiditätslücke von 4,5 Millionen Euro den Weg in die Insolvenz gehen. Am Ende soll ein Neuanfang in der Regionalliga stehen.

»Das ist der schwärzeste Tag in der Vereinsgeschichte. Mit diesem Desaster hätte keiner gerechnet«, kommentierte Aufsichtsratschef Meino Heyen den Totentanz von Alemannia Aachen ums Millionengrab Tivoli-Stadion. »Der Fehlbetrag würde jeden Monat deutlich mehr werden. Daher ist der Insolvenzantrag unvermeidlich«, sagte der Restrukturierungsbeauftragte Michael Mönig.

Die Anhänger des ehemaligen Bundesligisten und Europapokalteilnehmers reagierten mit Zorn auf die traurige Nachricht. Mehr als 50 Fans wollten sich gewaltsam Zugang zum Stadion verschaffen, die Aachener Ordnungskräfte mussten sogar die Polizei zur Hilfe rufen. Kurzzeitig drohte die Situation zu eskalieren.

Auch die Spieler des Tabellen-17. konnten die Entwicklungen kaum fassen. »Die Schockstarre ist nicht verdaut«, sagte Alemannia-Geschäftsführer Uwe Scherr vor dem heutigen Spiel beim VfB Stuttgart II, »auch bei den Spielern nicht. Jetzt ist es eine Charaktersache.«

Um die Saison planmäßig zu Ende spielen zu können, wird kurzfristig frisches Kapital benötigt. »Die Kasse ist derzeit leer«, sagte Mönig, verbreitete aber auch Hoffnung: »Ich habe bereits erste Signale von potenziellen Geldgebern erhalten, die sowohl den Geschäftsbetrieb im vorläufigen Insolvenzverfahren für die laufende Saison als auch den Neuanfang in der Regionalliga in der Saison 2013/14 unterstützen würden.«

Der Insolvenzantrag wird in der kommenden Woche beim Amtsgericht Aachen gestellt. »Ziel ist es, gemäß DFB-Statuten alle Ligaspiele bis Juni 2013 durchzuführen, den Verein im Anschluss über ein Insolvenzplanverfahren zu sanieren und dann in der Regionalliga neu zu starten«, teilte der Klub mit. Für das Gelingen des Plans muss der Spielbetrieb bis Saisonende aufrechterhalten werden. Auch darf das Insolvenzverfahren nicht vor dem letzten Spieltag eröffnet sein. Danach stünde man jedoch sicher als Absteiger fest. »Wir werden alles versuchen, den Verein zu retten«, versprach Heyen und zeigte Mitgefühl mit dem Anhang: »Für die Fans bricht eine Welt zusammen.«

Die Lage der Alemannia ist seit längerer Zeit äußerst kritisch. Bereits Ende Oktober stand Aachen vor dem finanziellen Aus, Geschäftsführer Frithjof Kraemer musste seinen Hut nehmen. Damals hieß es, es sei ein Geldgeber aus den eigenen Reihen gefunden worden. 2010 verhinderte nur eine Ausfallbürgschaft der Stadt die drohende Insolvenz.

»Wir haben eine Bugwelle an Verbindlichkeiten vor uns hergeschoben. Das funktioniert bei Erfolgen. Wenn es nicht mehr läuft, dann eben nicht mehr«, erklärte Heyen. Besonders der Stadionneubau hat Millionen verschlungen. Die Schulden durch den Tivoli-Neubau konnten von der Alemannia nicht mehr ausreichend bedient werden.

»Das einzige, was bei Alemannia Aachen nicht gestimmt hat, war, dass man so ein Riesenstadion gebaut hat, das wie ein Stein um den Hals des Vereins hängt. Am Ende war der Stein so schwer, dass er dem Klub das Genick gebrochen hat«, sagte der ehemalige Aachener Spieler und Geschäftsführer Erik Meijer.

Nach dem Abstieg im vergangenen Mai und dem schwachen Start in der 3. Liga fehlten zudem einkalkulierte Einnahmen. »Wir sind in der dritten Liga nicht angekommen. Die Kosten waren zu hoch«, räumte Heyen ein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.