Kommt Zeit, kommt NSU-Aufklärung
Henkels Sonderermittler und Prüfgruppe untersuchen V-Mann-Affäre noch bis Ende 2012
Parallel zum Sonderermittler ist auch eine achtköpfige polizeiliche Prüfgruppe aktiv, die V-Mann-Affäre um Thomas S. aufzuklären. S. diente von 2000 bis 2011 als V-Mann des Berliner Staatsschutzes, der ihn wegen seiner Verbindungen ins rechtsextreme Musik-Milieu angeworben hatte. Im Prozess gegen die Band »Landser« war S. Zeuge und Beschuldigter zugleich. Während seiner Zeit als »VP 562« des Landeskriminalamtes hatte er unter anderem im Jahr 2002 einen Hinweis auf eine Person gegeben, der Kontakt zu drei Untergetauchten hat, die wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes gesucht werden. Also ein Hinweis direkt auf das NSU-Mordtrio um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, zu denen S. in den 90er Jahren selbst enge Verbindungen pflegte. Er war nicht nur mit Beate Zschäpe liiert, sondern lieferte der späteren Terrorzelle Mitte der Neunziger Jahre sogar Sprengstoff.
Neue Erkenntnisse, ob und wie dem Hinweis des V-Mannes von der Polizei im Jahr 2002 nachgegangen wurde, verkündete die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers gestern nicht. Auch sie will ihrer Prüfgruppe erst drei Monate für Nachforschungen einräumen. Eine abschließende Beantwortung der Fragenkataloge von Linkspartei und Grünen zur Affäre kann nicht »heute und realistischerweise nicht kurzfristig erfolgen«, sagte Koppers. »In keiner Frage zum NSU kann es kurze, einfache und abschließende Antworten geben.« Nur soviel steht fest: Die »VP 562«, also Thomas S., sei »nach heutigem Erkenntnisstand« der einzige V-Mann, die bei der Berliner Polizei aus dem Umfeld des NSU geführt wurde, so die amtierende Polizeipräsidentin.
Bei der Opposition stieß die erneute Verzögerung der Aufklärung des Berliner NSU-Skandals auf Unverständnis. »Aus den Akten ergibt sich, dass den Hinweisen von S. nicht nachgegangen wurde«, sagte der Innenexperte der LINKEN, Udo Wolf. Er forderte die Geheimhaltung für die Akten zum V-Mann aufzuheben, damit endlich auch die Parlamentarier öffentlich zur V-Mann-Affäre Stellung beziehen können, die in den Medien seit Wochen breit diskutiert wird. »Dass Sie die Akten nicht freigeben, nährt den Verdacht, dass sich die Innenbehörde scheut, in die Karten schauen zu lassen«, monierte Wolf.
»Sie haben absolute Transparenz versprochen und machen das Gegenteil«, kritisierte auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux. Die erhoffte Aufklärung brachte indes auch nicht der geheime Teil der gestrigen Innenausschusssitzung. Dies äußerten jedenfalls Abgeordnete hiernach übereinstimmend. Am Donnerstag wird sich aller Voraussicht nach das Abgeordnetenhaus erneut mit der NSU-Affäre beschäftigen. Alle fünf Fraktionen haben das Thema beantragt.
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