Stalkerin machte Leben zur Hölle

Anklage wegen Nachstellung gegen eine 37-Jährige

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Der Ruf »Was für eine Frau!« ist meist ein Ausdruck einer wie auch immer gearteten Bewunderung. In diesem Fall ist es Faszination für die Allmacht gesprochenen Wortes. Die Frau, Jeanette R., 37 Jahre, die Lehrerin als Beruf angibt, ist der Nachstellung und Bedrohung angeklagt. Sie erhält von der vorsitzenden Richterin das Wort und ist sodann nicht mehr zu bremsen. Sie sprich in schwäbischem Dialekt in einer Geschwindigkeit, dass nur jedes 20. Wort verständlich wird.

Sie ist wütend, schreit, bricht in Tränen aus und ist ganze fünf Stunden fast ohne Luft holen im Dauerschwall. Dabei sollte sie sich nur zur Anklage äußern. Und die ist schwerwiegend. Sie soll einem Bekannten wiederholt nachgestellt und seine Familie mit dem Tode bedroht haben.

Es fing, so scheint es, alles ganz harmlos an. Der betroffene Bekannte Karsten H., 38 Jahre, ist Arzt in einer Berliner Unfallchirurgie und pflegt ein Hobby, das ihn unter Sportfreunden stadtbekannt gemacht hat. Auf großen Veranstaltungen wie dem Berlin-Marathon ist er der Moderator und bringt die Leute am Straßenrand in Wallung. Auch Jeannette war begeistert und lag ihm zu Füßen. Vielleicht fühlte sich der abgöttisch Verehrte so beeindruckt, dass er den aufgenommenen Handykontakt nicht sofort wieder abbrach. Doch die Frau meinte es ernst. Sehr ernst. Als Beweis ihrer Liebe schickte sie ihm recht obszöne Fotos. Langsam, so schien es, wurde ihm die Sache unangenehm und lief aus dem Ruder. Doch die Stuttgarterin entwickelte ungeahnte Energien, um dem Berliner Freizeit-Sportreporter nahe zu sein. Als er 2009 nach Bad Nauheim zu einer Tagung fuhr, stand sie an seiner Hotelzimmertür. Was in der Nacht geschah, darüber gehen die Aussagen auseinander. Sie sprach von einem Liebesabenteuer, er sagte, da sei absolut nichts gewesen. Sicher ist nur, sie blieb die Nacht in seinem Zimmer. Heute sagt er, dass es ein unentschuldbarer Fehler gewesen sei und er verstehe sich selbst nicht, warum er da nicht klare Grenzen gezogen habe.

Als ihr Karsten schließlich per Gerichtsbeschluss den weiteren Kontakt untersagte, brach für sie eine Welt zusammen. Sie steigerte sich immer tiefer in ihre Fantasien von Gemeinsamkeit, reiste der Familie nach zum Timmendorfer Strand und suchte den Kontakt zur Lebenspartnerin und der Mutter des Mediziners, um ihnen die »ganze Wahrheit« zu offenbaren. Sie drohte mit einem Spezialkommando, mit harten Methoden. »Du willst Krieg, dann sollst Du Krieg haben.« Doch Karsten spielte nicht mehr mit, schaltete die Gerichte ein, bis Jeanette schließlich in eine psychiatrische Einrichtung untergebracht wurde. Zunächst noch vorübergehend. Das heizte ihre Wut nur noch weiter an. Sie war nur noch »am Kotzen«, ständig »am Ende« und alles war »Scheiße«. Der Mann, der ihr das angetan hatte, sollte leiden. Dem Jugendamt teilte sie mit, dass die Kinder der Familie H. völlig verwahrlost seien und sofort ins Heim müssten. Eine Falschaussage, wie sich herausstellte. Sie wollte »Druck aufbauen«, wie sie sagt, damit er sich endlich zu seiner Schuld bekennt.

Doch gelitten haben vor allem die Kinder und die Lebenspartnerin. Sie mussten sich in psychiatrische Behandlung begeben, hatten Furcht, auf die Straße zu gehen. Die Partnerin hat noch heute Angst, Briekästen zu öffnen, die Kinder in die Schule zu schicken oder den Arbeitsplatz zu betreten.

Das Gericht steht vor einer schweren Entscheidung, eine Verurteilung würde wenig bringen. Nicht auszuschließen, dass sich die Frau aus Baden-Württemberg noch weiter hineinsteigert. Das Gericht geht davon aus, dass Jeanette R. an einer psychischen Erkrankung leidet, ihre Schuldfähigkeit dadurch gemindert ist. Die Staatsanwaltschaft strebt deshalb neben der Verurteilung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

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