In Seehofers Mäusekino
In München wurde der Bruch der CSU/FDP-Koalition offenbar vertagt
München. Der heftige Koalitionskrach von CSU und FDP in Bayern wird aller Voraussicht nach nicht zum vorzeitigen Bruch des schwarz-gelben Bündnisses führen. Ungeachtet der Drohungen der vergangenen Woche herrscht in der CSU-Spitze Konsens, dass vorgezogene Neuwahlen keine sinnvolle Option wären und der CSU schaden würden. »Vorgezogene Neuwahlen wird es nicht geben«, sagte ein CSU-Spitzenpolitiker dazu, hochrangige CSU-Parteifreunde äußerten sich auf Anfrage nahezu gleichlautend.
Dafür wird nun Parteichef Horst Seehofer von manchen Vorstandskollegen scharf kritisiert, weil er der Krise nicht nur ihren Lauf ließ, sondern sie selbst befeuerte. Zwar ist weiter ungeklärt, wie der Streit gelöst werden soll. Die CSU will die Studiengebühren abschaffen, wie Seehofer in der »Rheinischen Post« ein weiteres Mal betonte: »Mir ist es mit der Abschaffung der Studiengebühren sehr ernst.« Die FDP ist nach wie vor strikt gegen einen Kurswechsel. Doch ist sich die CSU-Spitze einig, dass die Koalition deswegen nicht platzen soll.
Ein CSU-Kollege spricht von »Deeskalation und Abrüstung«. Auch CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid lässt in einer diplomatischen Formulierung durchblicken, dass er ein Scheitern des schwarz-gelben Bündnisses wenige Monate vor dem eigentlichen Wahltermin nicht für sinnvoll hält: »Wir haben einen Auftrag, also gilt es wohlüberlegt und durchdacht zu handeln.« Schmid will die Gespräche mit der FDP über eine Abschaffung der Studiengebühren im nächsten Jahr weiterführen, so wie vereinbart.
Inzwischen kommen von Seehofer Signale, dass auch er Abrüstung für geboten hält. In der Kabinettssitzung am Dienstag behandelte er die FDP-Kollegen freundlich. FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil sprach anschließend von »bester Stimmung«. Seehofer nannte die Berichterstattung und Kommentare in den Medien über einen drohenden Koalitionsbruch »Mäusekino«, wie Zeugen berichteten.
Der CSU-Chef hat sich selbst in eine sehr schwierige Lage gebracht und muss nun einen Ausweg finden. Mehrere CSU-Spitzenpolitiker meinen, dass er eine derartige Eskalation nicht hätte zulassen dürfen. Das gewichtigste Argument: Sollte die Koalition platzen, stünde Seehofer als Chef einer gescheiterten Regierung da. Das wären, hieß es, äußerst schlechte Startbedingungen für eine erfolgreiche Wiederwahl. So zeichnet sich als ein möglicher Ausweg ab, es im Falle eines erfolgreichen Volksbegehrens doch auf den dann folgenden Volksentscheid über die Studiengebühren ankommen zu lassen.
Seehofer brachte im Kabinett am Dienstag eine andere Idee ins Spiel, die von der FDP stammt. Er empfehle die Lektüre des FDP-Wahlprogramms, sagte er nach Teilnehmerangaben. 2008 hatte die FDP vorgeschlagen, die Studiengebühren erst nachträglich zu erheben. In der FDP wird allerdings darauf verwiesen, dass es diese Möglichkeit zur nachträglichen Zahlung der Gebühren inzwischen längst gibt. Die FDP jedenfalls setzt ihrerseits ebenfalls auf Deeskalation. Wirtschaftsminister Zeil: »Der Ministerpräsident und ich sind sehr darauf bedacht, das Klima in der Koalition erfolgreich auszugestalten.«
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