Misstrauen gegen Mursi wächst

Streik der Richter in Ägypten / Sorge um neue Verfassung

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Machtpolitik von Präsident Mursi stößt in Ägypten auf starken Widerstand. Am Sonntag traten viele Richter und Staatsanwälte in den Streik. In Kairo und andernorts gab es Straßenschlachten mit der Polizei. Für Sonntagabend hatten Mursis Muslimbrüder zu Solidaritätsbekundungen für den Präsidenten aufgerufen.

Nach einem Wochenende gewaltsamer Ausschreitungen in vielen ägyptischen Städten hat der Oppositionspolitiker Muhamed el Baradei vor einem »Teufelskreis der Gewalt« in Ägypten gewarnt. Mohammed Mursi solle seine Machtausweitung rückgängig machen, erst dann sei es wieder möglich, mit dem Präsidenten in einen Dialog zu kommen. »Ärger, Chaos und Verwirrung« seien groß in Ägypten, sagte El Baradei vor Journalisten in Kairo. Vertreter von 26 oppositionellen Gruppen und Parteien setzten ihren Sitzstreik auf dem Tahrir-Platz in Kairo fort. Die Börse reagierte auf die neuen Unruhen mit einem Absturz von bis zu 10 Prozent.

Der Staatschef hatte am Donnerstag mitteilen lassen, dass er in einer Verfassungserklärung festgelegt habe, dass seine »zum Schutz der Revolution« getroffenen Entscheidungen rechtlich nicht mehr angefochten werden können. Kritik kam umgehend von der Gewerkschaft der Journalisten und vom ägyptischen Richterverband. Dessen Niederlassung in der Hafenstadt Alexandria rief zu einem landesweiten Streik auf. Ab sofort solle »die Arbeit an allen Gerichten und Strafverfolgungsbehörden« so lange ruhen, bis Mursi seine Entscheidung zurücknehme. Sie sei ein »beispielloser Angriff« auf die Justiz. Das Verwaltungsgericht in Kairo bestätigte am Samstag den Eingang von 13 juristischen Widersprüchen gegen Mursis Dekret.

In einem Interview mit der in London erscheinenden Zeitung »Asharq al-Awsat« sprach der Führer der radikalen Jamaa al-Islamiya, Nageh Ibrahim, von einem sehr aufgeheizten Klima in Ägypten. Er erwarte in den kommenden Wochen die Ermordung liberaler Politiker, sagte Ibrahim, der die Entscheidung Mursis gegen die Justiz unterstützt. Gleichzeitig kritisierte er, dass der Präsident es versäumt habe, liberale Kräfte in den politischen Prozess in Ägypten einzubeziehen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte, die Bundesregierung setze »darauf, dass in Ägypten der Prozess hin zu einer Demokratie, zu sozialer und wirtschaftlicher Teilhabe, zur Herrschaft des Rechts und zu einer Gewaltenteilung fortgesetzt« werde. Mursi habe »mit großem Verantwortungsbewusstsein eine Waffenruhe zwischen Hamas und Israel ausgehandelt«, diese Verantwortung solle er auch innenpolitisch zeigen.

Die Selbstermächtigung Mursis hat das Misstrauen gegenüber dem Präsidenten und der Muslimbruderschaft in Ägypten deutlich erhöht. Mursi war zwar kurz vor seiner Wahl ausgetreten, doch ist er der Organisation ideell weiter fest verbunden. Kritiker werfen der Bruderschaft und den noch radikaleren Salafisten vor, ein Machtmonopol in Ägypten anzustreben. Deutlich wird das in der Verfassungsgebenden Versammlung, für die Mursi nun per Dekret bis zum Ende ihrer Arbeit juristische Immunität anordnete. Viele säkulare Vertreter sind aus dem Gremium aus Protest ausgetreten, weil die Islamisten die Debatte um eine neue Verfassung dominierten.

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