Die Rettung des Wippreschen

Wie in einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt die 1000-jährige Brautradition bewahrt wurde

  • Wolfgang F. Salzburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Wippra in Sachsen-Anhalt hat eine fast 1000-jährige Brautradition, doch vor einigen Jahren noch schien deren Ende besiegelt. Heute kommen aus Wippra neben Pils auch etliche andere Sorten, ein Schwarzbier bekam sogar die Silbermedaille beim World Beer Cup.

Dass Bierbrauen eine der ältesten Künste ist, bezweifelt heute wohl niemand mehr. Sumerer brauten Bier, Babylonier auch, Ägypter stellten ihren Pharaonen Bier ins Grab. Und der römische Geschichtsschreiber Tacitus wusste von den ausschweifenden Trinkgewohnheiten der alten Germanen zu berichten. Aber nicht der Bierdurst unserer Vorfahren soll hier Gegenstand der Betrachtung sein, sondern zwei Brüder, die auf die Idee kamen, selbst gutes Bier zu brauen. Und das kam so:

Wippra, ein Ort im Wippertal in Sachsen-Anhalt, der heute zu Sangerhausen gehört, kann auf eine fast 1000-jährige Brautradition verweisen, auf »gar gut geschmortes Bier«, wie der Theologe und Historiker Cyriakus Spangenberg (1528 bis 1604) zu berichten wusste. Und dass man dem Grafen Albrecht, »als er anno 1559 zu Augsburg auf dem Reichstag krank gewesen, ein Fass (habe) hinausfahren lassen, an demselben er sich gesund getrunken …«. Nachdem wippresches Bier stets ein begehrtes gewesen war, fiel die Brauerei 1972 an die Mammutbrauerei Sangerhausen - und in die Bedeutungslosigkeit. Seit der Reprivatisierung 1990 versuchten sieben Mal neue Betreiber eine Wiedergeburt, alle Versuche scheiterten. Bis 2002 die beiden Brüder Norbert und Dirk Gehring sich trauten, die Brauerei zu übernehmen. Niemand hat sie gezählt, die Tage und die schlaflosen Nächte, die durchgearbeitet wurde. Nach 14 Monaten der Vorbereitung stand das Konzept. Am 1. Mai 2003 konnten die Gehrings ihr erstes Pils in der Museums- und Traditionsbrauerei Wippra ausschenken.

»Das Schicksal unserer Vorgänger erforderte eine total veränderte Konzeption«, so Norbert, der ältere der Gehring-Brüder. Sieht man, dass die Brauerei zwischen 1480 und 1530 erbaut wurde, und zieht man die archaische Technik ins Kalkül, konnte es nur darauf hinauslaufen, Tradition mit Moderne zu verbinden. Dirk Gehring: »Wir sind nicht angetreten, den Markt zu erobern, sondern Interessierten zu zeigen, was Bier sein, wie es schmecken kann, wenn man sich für seine Herstellung neben besten Rohstoffen auch genügend Zeit nimmt.« 2003 begann es mit 400 Hektolitern Pilsener im Jahr, heute sind es bereits 2800. Übrigens inzwischen nicht nur Pils, auch Schwarzbier, Bock und Doppelbock, rötlich schimmerndes Kupferbier und - ganz neu - ein ungespundetes Kellerbier. Und es wurde und wird weiter experimentiert. So wagten sich die Gebrüder Gehring mit ihrem Braumeister Wolfgang König auch an die Herstellung von Gourmetbieren heran. Mit respektablem Erfolg: In einer dem Bocksbeutel ähnlichen 0,75-Literflasche bieten sie seit 2009 das »Wipprator« und seit 2011 das »Cascade« an.

2002, also noch in der Vorbereitungsphase, war Braumeister Holger Uhrich aus Bad Kösen auf der Suche nach einer kleineren Braukapazität zu ihnen gekommen, um eine Rezeptur auszuprobieren. Mit Wippras Braumeister Wolfgang König tüftelten sie gemeinsam und setzten schließlich einen Probesud an. All jene, die ihn kosten durften, waren mehr als begeistert.

Es ist heute nicht mehr eindeutig feststellbar, wer in dieser euphorischen Stimmung die Idee hatte, sich mit diesem Bier beim World Beer Cup in Vail (Colorado) in der Kategorie »23 German Style Schwarzbier« zu bewerben - neben Brauereien aus 50 Ländern, die mit 1172 Bieren antraten. Was keiner erwartet hatte: Die Silbermedaille ging an die Kombination Wippra-Bad Kösen! Klar, dass man sich einig war: Wenn in Wippra ein Schwarzbier gebraut wird, dann nur mit dieser Rezeptur! Seit Ende 2003 ist es im Sortiment - mit der Silbermedaille auf dem Etikett.

Liebhaber des Wippreschen, wie sie es selbst gern nennen, gibt es immer mehr. Auch dank dem Veranstaltungsangebot mit Brauerei-Führungen ohne und mit gastronomischer Versorgung bis hin zu siebenstündigen Braukursen. Ein deftiges Brauerfrühstück sowie ein schmackhaftes Mittagessen gehören ebenso dazu wie die ausgiebige Bierverkostung.

Vertrieben wird das Wippresche regional und über das Internet. Aber inzwischen konnten zum Beispiel Braukursanten aus Braunschweig immerhin sogar einen Einzelhändler dafür gewinnen, das Bier in seinen Filialen anzubieten.

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