Hoffnung auf Rückenwind aus Leipzig
LINKE sieht OB-Wahl als Stimmungstest für Bundespolitik
Das Kennenlernen hat begonnen: Zum ersten Mal saßen fünf Männer und eine Frau, die Chef im Leipziger Rathaus werden wollen, vergangene Woche auf einem Podium beieinander. Ein siebter Kandidat musste im Publikum Platz nehmen: Mangels Kenntnis seiner Bewerbung war er vom Veranstalter nicht eingeladen worden. Er wird Gelegenheit haben, den Leipzigern seine Ideen darzulegen: Der Wahlkampf für die Abstimmung, die am 27. Januar stattfindet, hat erst begonnen.
Nachdem die Parteien ihre Bewerber aufgestellt haben und zudem zwei unabhängige Kandidaten ihren Hut in den Ring warfen, wird jetzt an Plakatmotiven gefeilt, an Programmen geschrieben und für Termine geworben. Die LINKE eröffnet ihre Kampagne am Freitag dieser Woche in Leipzig-Grünau: Neben Barbara Höll, der OB-Kandidatin, spricht Gregor Gysi, Chef der Fraktion im Bundestag.
Der Aufschlag mit bundespolitischer Prominenz ist durchaus symbolträchtig - immerhin gilt die Abstimmung in der sächsischen Großstadt als erster Stimmungstest für ein Wahljahr, in dem später auch der Bundestag neu gewählt wird. Die Partei »hofft auf eine Signalwirkung«, sagt Volker Külow, Stadtchef der Leipziger LINKEN. Sie gibt auch einiges dafür: Zum Topf für die Leipziger Kampagne steuerten Landes- und Bundesverband zusammen 28 000 Euro bei, fast die Hälfte des Gesamtetats. Derlei Unterstützung gab es zuletzt 1998, als der damalige Fraktionschef Lothar Tippach dann knapp 30 Prozent einfuhr. An diesen Erfolg hatte die Partei bei den beiden folgenden OB-Wahlen nicht anknüpfen können - es reichte für die PDS-Bewerber jeweils nur zu gut 15 Prozent.
Höll hat sich für Januar mehr vorgenommen, wie ihr Wahlkampfetat zeigt: Dort sind 3700 Euro für den 2. Wahlgang eingestellt. Eigentlich, sagt Külow augenzwinkernd, »wollen wir es aber in der 1. Runde wissen«. Das wird nicht einfach in einer Stadt, in der seit 1990 stets die SPD das Stadtoberhaupt stellte und Rathauschef Burkhard Jung mit dem Amtsbonus ins Rennen geht. Jung hält sich zudem zugute, die Arbeitslosenquote habe sich in seiner Amtszeit halbiert. Die LINKE entgegnet unter Verweis auf erst kürzlich bestätigte Statistiken, Leipzig sei weiterhin Armutshauptstadt. Daran hätten auch Großansiedlungen von BMW, Porsche und DHL nichts geändert. Inzwischen, sagt Höll, müsse ohnehin eher »Kärrnerarbeit für die regionale Wirtschaft« geleistet werden - und dafür, dass deren Beschäftigte nicht länger nur Niedriglöhne erhielten.
Bisher sieht es so aus, als ob das Thema Wirtschaft den Wahlkampf bestimmen könnte - auch wenn die CDU anderes im Sinn hat, die mit dem parteilosen Horst Wawrzynski den bisherigen Polizeipräsident aufgestellt hat. Er hatte das Rathaus immer wieder wegen einer vermeintlich zu laschen Drogenpolitik attackiert und vor einigen Wochen eine spektakuläre Drogenrazzia inszeniert, bei der SEK-Beamte gar eine Kita stürmten.
Ob die CDU mit dem Thema Sicherheit punkten kann, ist offen. Abzuwarten bleibt auch, ob Jungs Wahlkampf durch die Affäre um den Verkauf vermeintlich »herrenloser« Grundstücke belastet wird. Viele Wähler dürfte vor allem interessieren, wie gut die Verwaltung arbeitet und was die Stadt den Bürgern bietet. Derzeit wird etwa der Vorschlag diskutiert, jungen Leuten bis zum 19. statt bis zum 16. Geburtstag freien Eintritt ins Museum zu gewähren.
Höll sattelt noch drauf: Ihr gestern vorgestelltes Programm sieht vor, dass die Stadt bei Kindern und Jugendlichen auch die Mitgliedsbeiträge im Sportverein übernimmt.
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