EU blockiert die eigene Kuba-Politik

Außenbeauftragte Ashton soll Kooperationsabkommen mit Havanna verhandeln

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist erneut eine Debatte über die Haltung zu Kuba entbrannt. Stein des Anstoßes ist nach wie vor der sogenannte »Gemeinsame Standpunkt« der 27 Mitgliedsstaaten gegenüber dem sozialistischen Inselstaat.

Nun haben die EU-Außenminister die Außenbeauftragte Catherine Ashton beauftragt, die Grundlagen für ein bilaterales Abkommen zu legen. Doch auch dabei ist bislang ungeklärt, ob das neue Dokument den »Gemeinsamen Standpunkt« ersetzen soll, der ein Sonderfall in der EU-Außenpolitik darstellt. Dennoch kann der umstrittene »Gemeinsame Standpunkt« nicht abgeschafft werden, weil dies eines Konsens bedürfte.

Beim vergangenen Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel wurde das Thema nach internen Vordebatten unlängst offiziell auf die Tagesordnung gehoben. Nach Angaben von Spaniens Außenstaatssekretär Gonzalo de Benito wurde Ashton dabei offiziell beauftragt, die Verhandlungen über ein bilaterales Abkommen mit Havanna voranzutreiben. Das sozialistisch regierte Kuba ist der einzige Staat Lateinamerikas und der Karibik, der wegen des »Gemeinsamen Standpunkts« bislang kein solches Abkommen mit der EU unterzeichnet hat. Allerdings hat Kuba seit Jahren zu einer diplomatischen Gegenoffensive ausgeholt und selbst bilaterale Abkommen mit 13 EU-Mitgliedsstaaten abgeschlossen.

Ashton ist bewusst, dass die chaotische Politik gegenüber Kuba die eigene Rolle schwächt. Bevor die Außenbeauftragte oder der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) eine neue Initiative ergreifen, müssten sich die Mitgliedsstaaten einig werden, ob sie den restriktiven »Gemeinsamen Standpunkt« aufrechterhalten, oder den Weg zu einem neuen Kooperationsabkommen schließen wollen, zitierte die Nachrichtenagentur Europa Press einen EU-Funktionär aus dem Umfeld Ashtons. Bislang aber sträuben sich neben Deutschland auch die Schweiz, Tschechien und Polen gegen die Abschaffung des Standpunktes, der von Kuba als Einmischung in interne Angelegenheiten abgelehnt wird. Ohne einen Konsens aber wird es keinen Fortschritt geben und die EU lähmt sich selbst weiter.

Diese Erkenntnis setzt sich langsam auch innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten durch. Im Vorfeld des Außenministertreffens habe es im EU-Ausschuss der Ständigen Vertreter Ende Oktober eine »zukunftsorientierte Debatte« zu dem Thema gegeben, erfuhr »nd« aus internen EU-Kreisen. Dabei sei es im Kern um den bereits im Oktober 2010 an Ashton erfolgten Auftrag gegangen, einen Bericht zu den europäisch-kubanischen Beziehungen zu erarbeiten. Dieses Papier war wegen der Blockade einiger Staaten gegen die Weiterentwicklung der Beziehungen jedoch nie fertiggestellt worden. Mit aller Kraft soll nun ein neuer Anlauf gewagt werden, zumal den EU-Akteuren bewusst ist, dass dem Ausbau der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der Boomregion Lateinamerika eine Normalisierung der Beziehungen mit Kuba vorausgehen muss. Dennoch wird auch ein bilaterales Kooperationsabkommen zwischen der EU und Kuba das Kernproblem nicht lösen. Denn währen Ashton und der EAD ein solches Dokument als Substitut des »Gemeinsames Standpunktes« sehen, wollen die Kuba gegenüber kritischen EU-Staaten beide Dokumente parallel beibehalten.

Im Gespräch mit »nd« bekräftigte die Europa-Abgeordnete Gabi Zimmer den Einsatz ihrer Fraktion GUE/NGL für eine Verbesserung der Beziehungen zu Kuba. »Es ist an der Zeit den ›Gemeinsamen Standpunkt‹ ohne Vorbedingungen aufzuheben und Kuba wie jedes andere Land zu behandeln«, sagte sie. Eine zukunftsfähige Politik brauche einen konstruktiven Dialog, so Zimmer weiter. Kuba kann die Debatte gelassen sehen. Trotz der diplomatischen Blockade einer konservativen Minderheit ist die EU für den Karibikstaat mit einem anteiligen Außenhandelsvolumen von 19 Prozent zum zweitwichtigsten Handelspartner nach Venezuela aufgestiegen.


Gemeinsamer Standpunkt

Der »Gemeinsame Standpunkt« wurde am 2. Dezember 1996 vom Ministerrat der Europäischen Union beschlossen. Durchgesetzt hat ihn die damalige rechtskonservative Regierung Spaniens unter Ministerpräsident José María Aznar. Darin knüpft die EU den Ausbau der Beziehungen zu Kuba an Forderungen nach Systemveränderungen:

»Die EU verfolgt das Ziel, einen Prozess des Übergangs in eine pluralistische Demokratie (...) sowie eine Verbesserung des Lebensstandards zu fördern.«

»Der EU ist sehr daran gelegen, Kubas Partner bei der schrittweisen und unumkehrbaren Öffnung der kubanischen Wirtschaft zu werden.«

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