Freispruch für wütende Griechen

Gewerkschafter sollen deutschen Konsul in Thessaloniki angegriffen haben

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 2 Min.
Knapp Zwei Wochen nach einem Angriff auf den deutschen Generalkonsul in Thessaloniki sind jetzt drei Beschuldigte freigesprochen worden.

Mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen endete am späten Mittwochabend in Thessaloniki der Prozess gegen drei Gewerkschafter. Den beiden Mitgliedern der Gewerkschaft der Gemeindearbeiter und einem Kollegen von der Lehrergewerkschaft war vorgeworfen worden, bei einem Treffen deutscher und griechischer Beamter am 15. November auf dem Messegelände von Thessaloniki den deutschen Konsul in Thessaloniki tätlich angegriffen zu haben. Dieser war von Gewerkschaftern, die vor dem Gebäude demonstrierten, beschimpft, bedrängt und mit einem Kaffeebecher beworfen worden. Die Angeklagten hatten die Vorwürfe, im Rahmen der Demonstration gewalttätig geworden zu sein, einhellig bestritten.

Die Aktion der Gewerkschafter habe sich gegen die von der Regierung beschlossenen Stellenabbau im öffentlichen Dienst gerichtet, betonten alle drei vor Gericht. Ihre Proteste hätten auch dem deutschen parlamentarischen Staatssekretär im Arbeitsministerium, Hans-Joachim Fuchtel, gegolten. Der hatte eine Welle der Empörung verursacht, als er in seiner Rolle als Griechenland-Beauftragter am Tag zuvor erklärte, dass in Griechenland von 3000 Beamten erledigte Arbeitspensum würden in Deutschland 1000 Beamte schaffen. Daran konnte auch die kurz darauf abgegebene Klarstellung des Staatssekretärs nichts ändern, wonach Fuchtel damit keinesfalls die griechischen öffentlichen Angestellten als Faulpelze habe bezeichnen wollen. Seine Aussage habe sich vielmehr gegen die ineffiziente Organisation der staatlichen Verwaltung gerichtet.

Man habe den Konsul mit Fuchtel verwechselt, erklärte einer der Angeklagten, ein 47-jähriger Angestellter der Gemeinde Thessaloniki. »Ich habe ihm meine Hand entgegengestreckt und gerufen, er solle verschwinden«, sagte er. Sein Kollege von der Gemeinde Kordelio erklärte die Wut der Gewerkschafter mit der Tatsache, dass er und viele Kollegen ihren Arbeitsplatz und damit die Überlebensgrundlage verlieren sollen.

Staatsanwältin Pouliou zeigte Verständnis für »die Empörung der Griechen angesichts der Beleidigungen, die unser Land in den letzten zweieinhalb Jahren erleidet«. Dies rechtfertige allerdings keine Gewaltausbrüche, betonte sie.

Das nun mit Freispruch beendete Verfahren war auf Veranlassung der griechischen Staatsanwaltschaft eingeleitet worden. Der angegriffene Konsul Wolfgang Hoelscher-Obermaier selbst hatte unmittelbar nach dem Zwischenfall ebenfalls Verständnis für die Wut der Griechen angesichts der über sie verhängten Maßnahmen geäußert und auf eine Anzeige verzichtet. Einer der nun freigesprochenen Angeklagten hatte sich nach seinen Angaben sogar persönlich bei ihm entschuldigt. Der griechische Angestellte sei »aufgebracht gewesen, da auch ihm die Entlassung drohe«, so der Konsul. Er habe die Entschuldigung akzeptiert, aber betont, dass »Gewalt kein Mittel zur Konfliktlösung« sei.

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