Koalition unter Strom
SPD und CDU wollen neue Liegenschafts- und Energiepolitik
Die Koalitionsfraktionen stellen die Weichen in der Liegenschafts- und Energiepolitik neu. SPD und CDU werden kommende Woche einen Gesetzentwurf ins Parlament einbringen, mit dem sie das Liegenschaftskonzept des Senats nachbessern und die Gründung eines landeseigenen Stromproduzenten ermöglichen wollen, wie die Fraktionschefs Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU) gestern ankündigten. Damit reagieren sie einerseits auf die Querelen im Senat in Sachen Liegenschaftspolitik und zum anderen auf den Druck des Berliner Energietisches, der ein Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Stromnetze und zur Gründung eines kommunalen Stadtwerkes gestartet hat.
Der Verkauf landeseigener Grundstücke soll nicht mehr nur an den Meistbietenden, sondern auch an den Bieter mit dem besten städtebaulichen Konzept erfolgen. »Wir wollen weg von der reinen Verkaufsstrategie hin zu einer politischen Vergabe, die Wohnen, Umwelt und soziale wie kulturelle Infrastruktur fördert«, so Saleh. Einbezogen werden sollen in diese Strategie auch die nicht betriebsnotwendigen Grundstücke der landeseigenen Unternehmen wie etwa BSR oder BVG. Dies hatte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) bisher abgelehnt. Die Fraktionen unterstützten damit den Kurs von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Sie möchten die Grundstücke auch verstärkt in Erbpacht vergeben, statt sie zu verkaufen. Das Parlament soll ein sogenanntes Selbstbefassungsrecht erhalten, in dem es die besondere Bedeutung eines Grundstücks für die Stadt feststellen kann.
»Öffentliche Grundstücke sind eine begrenzte Ressource, sie gehören den Berlinern«, sagte Saleh. Und Graf sieht mit der neuen Liegenschaftspolitik einen »Paradigmenwechsel eingeleitet, weg von der reinen Gewinnmaximierung über den Höchstpreis hin zu einem stärkeren Gestaltungswillen«.
Mit der Gründung von Stadtwerken wollen die Regierungsfraktionen Stromproduktion und -vertrieb in Berlin wieder in kommunale Hand übernehmen. Dazu soll das Land eine Tochtergesellschaft der landeseigenen Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) gründen, die Strom nur aus erneuerbaren Energien erzeugt. Parallel zur Gründung der Stadtwerke soll sich die ebenfalls landeseigene »BerlinEnergie« an der Ausschreibung für die Ende 2014 auslaufende Konzession für die Stromnetze beteiligen.
Mit den Stadtwerken soll die Stromproduktion in Berlin unter einem Dach gebündelt werden, sagte Saleh. Schon jetzt erzeugten die BSR Energie über ihren eigenen Bedarf hinaus. Dieser Weg der Stromproduktion und Vertriebs über Stadtwerke sei in Hamburg bereits sehr erfolgreich erprobt worden. Die Produktion oder der Vertrieb von Energie aus Atom- oder Kohlekraftwerken werde ausgeschlossen, betonten Saleh und Graf. Mit ihrem Modell sehen sie praktisch das Anliegen des Berliner Energietisches erfüllt, der im Juli dazu die erste Stufe eines Volksbegehrens erfolgreich abgeschlossen hatte. »Das ist eine neue Kultur des Umgangs mit Volksinitiativen«, befand Graf.
Die Initiatoren des Begehrens hielten sich mit einer Bewertung des Koalitionsvorstoßes noch zurück, merkten aber schon mal an, dass sich darin nichts über die Rekommunalisierung der Stromnetze wiederfinde. Allein mit der Gründung eines Stadtwerks sei es nicht getan, es müsse so ausgestattet werden, dass es seine Aufgaben auch erfüllen kann. Das gleiche gelte für BerlinEnergie. Das Bündnis werde den Gesetzesentwurf prüfen und dann entscheiden, »wie es mit unserem Volksbegehren weitergeht«, so Sprecher Stefan Taschner.
Schärfer viel die Kritik der Opposition aus. Der energiepolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Wolf, nannte das Modell »konzeptionslosen Voluntarismus«, sein Kollegen von den Grünen, Michael Schäfer, »unausgereift«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.