Kein Tor mehr durch eine Fusion

Anhörung zur Neustrukturierung der Lausitzer Hochschullandschaft

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Der FC Energie Cottbus habe in der vergangenen Saison nicht so gut Fußball gespielt, die Cottbuser White Devils haben nicht so tolles Basketball gezeigt. Doch was würde es bringen, die beiden Mannschaften zu vereinigen?, fragt Professor Walther Ch. Zimmerli. Es würden deswegen weder mehr Tore geschossen noch mehr Körbe geworfen.

Dieses Beispiel liebt der Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus. Er erzählt es, wenn er gegen die geplante Zwangsfusion mit der Senftenberger Hochschule Lausitz (HL) spricht. Gestern brachte Zimmerli das Beispiel bei einer Anhörung im Landtag. Der Wissenschaftsausschuss beschäftigte sich am Nachmittag mit dem Gesetzentwurf zur Neustrukturierung der Hochschullandschaft in der Lausitz.

Nach Ansicht Zimmerlis sind die bislang genannten drei Begründungen für die Verschmelzung nicht stichhaltig. Geld werde damit nicht gespart, denn man wisse ja, dass Fusionen etwas kosten. Als Reaktion auf den Rückgang und die Überalterung der Gesellschaft sei die Maßnahme auch nicht geeignet. Schließlich locke die BTU jetzt Jahr für Jahr 1000 junge Leute an, die ihren Fuß sonst niemals in die Lausitz gesetzt hätten. Dies werde der neuen »Gesamthochschule« niemals gelingen, meinte Zimmerli. Kooperation mit der HL gebe es bereits. Vielleicht war die Kooperation nicht so gut, räumte Zimmerli ein. Doch was bringe eine Fusion? Da kam dann das Beispiel Energie Cottbus und White Devils.

Magdalena Mißler-Behr hob hervor: »Die BTU hat einen guten internationalen Ruf in ausgewählten technischen Studiengängen.« Durch eine Vermischung mit der HL werden beide Seiten nicht mehr so wettbewerbsfähig sein, erwartet die Vorsitzende des Senats der BTU. Bereits jetzt sei ein Schaden entstanden. Drittmittelgeber seien verunsichert und drei Professoren haben der Universität den Rücken gekehrt, weil sie dort keine Zukunft mehr für sich sehen. Die Hochschullandschaft sei allein schon durch die Fusionsabsicht ein »Scherbenhaufen«, sagte Mißler-Behr. Das zu reparieren, werde Jahre dauern und viel Geld kosten.

Auch Mißler-Behr wählte ein Beispiel: Der Zusammenschluss von Unternehmen habe in der Vergangenheit in der Regel die dabei verfolgten Ziele nicht erreicht, wie man aus Studien wisse. Oft seien die Unternehmen durch die Fusion in ernste Gefahr geraten. Der Verschmelzung der BTU mit der Hochschule Lausitz drohe ein kostspieliges Scheitern. »Lassen Sie uns einen Schritt zurück gehen«, bat die Professorin die Landtagsabgeordneten. Die Neustrukturierung sollte abgeblasen, die Debatte darüber schnell beendet werden.

»Wir sehen heute in der Anhörung, dass die Positionen verhärtet sind«, bedauerte Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (für SPD), die den Fusionsplan unbeirrt verfolgt. Es sei richtig, das Gesetzgebungsverfahren voranzutreiben. Dass die Fusionsgegner nun ein Volksbegehren anstrengen wollen, sieht die Ministerin positiv. Es sei ja gut, wenn sich Menschen für die BTU so sehr engagieren. »Ich sehe dem mit Achtung und Gelassenheit entgegen«, sagte Kunst. Sie hob noch hervor, dass die Hochschule Lausitz die Neustrukturierung als Chance sehe und nur in den Details Bedenken hege.

Tatsächlich hat HL-Präsident Günter H. Schulz in der Anhörung bekräftigt, seine Hochschule sei »in Summe« bereit, bei dem Prozess mitzuwirken. Der Gesetzentwurf sei »rechtlich korrekt«, bleibe allerdings hinter den Erwartungen zurück. Schulz schlug flexible Stundendeputate der Hochschullehrer vor, wie es sie in Hamburg schon gebe. Dort müssten Dozenten durchschnittlich zehn Lehrveranstaltungen pro Woche bestreiten, es könne in einem Semester aber auch mehr oder weniger sein: zwischen vier und 16. Das sei familienfreundlicher, meinte der Professor.

Der Abgeordnete Peer Jürgens (LINKE) begrüßte diesen Vorschlag und kündigte an, seine Fraktion wolle diese und andere gute Ideen mit dem Koalitionspartner SPD besprechen und vielleicht noch ins Gesetz aufnehmen. Dass der Gesetzentwurf rechtswidrig sei, wie ein Gutachten im Auftrag der Linksjugend solid es nahelegt, glaubt Jürgens nicht. Der Parlamentarische Beratungsdienst habe bestätigt, dass der Entwurf verfassungskonform sei. Einschätzungen des Gutachtens beruhen Jürgens zufolge zum Teil auf falschen Voraussetzungen. So solle der Präsident der neuen Universität BTU Cottbus-Senftenberg keineswegs am Senat vorbei ernannt werden.

Das Gutachten des Rechtsanwalts Wilhelm Achelpöhler bestreitet nicht die Befugnis des Landes, Hochschulen aufzulösen. Wenn der Staat Hochschulen gründen könne, dann dürfe er sie zweifellos auch schließen, heißt es. Doch müssten bei diesem gravierenden Eingriff in die Hochschulautonomie die Gremien angemessen beteiligt sein.

Da bestehen Zweifel angesichts des Tempos, mit dem Wissenschaftsministerin Kunst ihre Absicht durchdrückt. Bereits zum 1. Juni 2013 soll die neue Universität starten, ein Jahr später sollen die Verwaltungsstrukturen stehen. Doch allein die beiden Computersysteme aufeinander abzustimmen würde einen dreistelligen Millionenbetrag kosten, erklärte Zimmerli. Schulz hielt die Zeit für die Verwaltungsstrukturen für zu knapp.

»Das der Zeitplan sehr ambitioniert ist, wissen wir«, bestätigte die Abgeordnete Gerrit Große (LINKE). Sie fragte allerdings, ob es angesichts der Verunsicherung nicht schädlicher wäre, länger zu warten.

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