Protest gegen das Flughafenpaket

Gewerkschafter demonstrierten gegen EU-Pläne zur weiteren Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste

  • Hans-Gerd Öfinger, Straßburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute stimmt das Europaparlament über Kommissionspläne ab, die aus Sicht der Gewerkschaften die Sicherheit im Flugverkehr gefährden.

Gegen eine weitere Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste an Verkehrsflughäfen demonstrierten am Dienstag etwa 3000 Beschäftigte vor dem EU-Parlament in Straßburg. Sie folgten damit einem Aufruf der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF). Der Dachverband protestiert gegen einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission, der heute dem Parlament zur Abstimmung vorliegt. Am Mittag versammelten sich die Gewerkschafter im Schneetreiben vor dem Parlamentsgebäude, das durch französische Bereitschaftspolizisten abgeriegelt wurde. Unübersehbar waren ver.di-Fahnen - die Mehrheit der Demonstranten war von bundesdeutschen Großflughäfen aus angereist.

Die EU-Kommission wolle den Markt für Billiglohnunternehmen öffnen, so die Gewerkschaftskritik. Dies bedeute eine Aushöhlung der bestehenden Tarifverträge sowie schlechtere Lohn- und Arbeitsbedingungen durch Outsourcing und Fremdvergabe von Aufträgen mit sich, erklärte ETF-Sekretär Enrique Carmona auf nd-Anfrage. Dabei habe die vor 16 Jahren mit der ersten Richtlinie eingeleitete Liberalisierung den Airport-Beschäftigten schon eine Menge Lohn- und Sozialdumping und schlechtere Arbeitsbedingungen beschert.

Brüssel hatte das neue »Flughafenpaket« Ende 2011 vorgelegt und strebt nach Angaben von Verkehrskommissar Siim Kallas »mehr Wettbewerbsfähigkeit« der Flughafenbetreiber und eine »bessere Effizienz und Qualität der Dienstleitungen« rund um den Flugverkehr an. Aus gewerkschaftlicher Sicht stehen mit dem Kostendruck jedoch auch das Ausbildungs- und Qualitätsniveau sowie die Sicherheit im Luftverkehr auf dem Spiel. Dabei verbillige sich ein Flugticket selbst bei extremem Lohndumping im Schnitt um bestenfalls zwei Euro, hat die ETF nachgerechnet.

Mit der Richtlinie gebärde sich Kallas »unsozial, arrogant, ignorant und europafeindlich«, rief Edgar Stejskal, Betriebsratsvorsitzender des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport, den Demonstranten zu. Dieser Entwurf müsse »mit Pauken und Trompeten zurückgenommen« werden.

Die Kommissionspläne sind auch im Europaparlament umstritten - im Verkehrsausschuss wurden sie Anfang November mit knapper Mehrheit abgelehnt. Mehrere EU-Abgeordnete machten den Gewerkschaftern jetzt Mut. »Wir wollen Leben und Gesundheit nicht der Profitgier der Aktionäre opfern«, erklärte der spanische Sozialist Alejandro Cercas. »Widerstand lohnt sich«, erinnerte die Abgeordnete Sabine Wils (LINKE) an den erfolgreichen Abwehrkampf der europäischen Hafenarbeiter gegen ähnliche Liberalisierungsbestrebungen für die Seehäfen: »Es hängt von Eurer Beharrlichkeit ab, ob eine weitere Liberalisierung verhindert wird.« Jutta Steinruck (SPD) kündigte an, bis kurz vor der Abstimmung am Mittwoch bei unschlüssigen Parlamentariern Überzeugungsarbeit zu leisten. Der CDU-Abgeordnete Thomas Mann versprach, um die Rückendeckung seiner Fraktionskollegen der Europäischen Volkspartei (EVP) für die Ablehnung des Kommissionsentwurfs zu werben.

Neben um ihre Jobs und Löhne bangenden Arbeitern gingen auch Fach- und Führungskräfte auf die Straße. Roland Krieg, IT-Spezialist bei Fraport, will erreichen, dass »man von ehrbarer und harter Arbeit am Flughafen auch im Ballungsgebiet leben kann«. Schließlich lägen hier die meisten Airports. Der Personalchef des Stuttgarter Flughafens stand ebenso in der Kälte vor dem EU-Parlament wie Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV: »Heute schwenke auch ich eine ver.di-Fahne«, erklärte Beisel gegenüber »nd«. Die entscheidende Abstimmung im Parlament ist für Mittwochmittag geplant. Der Ausgang gilt als offen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -