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USA: Im Süden fehlt der strategische Partner
Machtvakuum in Kabul ist schwer zu schließen
Der Krieg im Norden Afghanistans scheint vorbei, der im Süden steht bevor. Wenn die Paschtunen dort nicht zum Aufstand gegen die Taleban bewegt werden könnten, müsse man den eigenen militärischen Druck erhöhen, machte USA-Außenminister Powell deutlich.
Mit drei schockierenden Farbbildern verdeutlichte die »New York Times« gestern der US-amerikanischen Öffentlichkeit zum ersten Mal seit dem Kriegsbeginn am 7. Oktober, dass in Afghanistan viel Blut fließt: Soldaten der »Nordallianz« schleifen einen verwundeten Taleban-Kämpfer über den Boden, schlagen ihn zusammen und erschießen den halb nackten Mann auf dem Weg nach Kabul. Ein Bündnispartner, der nachdenklich macht. Auch die USA-Strategen kommen ins Grübeln: Wie soll ein Post-Taleban-Afghanistan unter Berücksichtigung der Kräfteverhältnisse im Land aussehen, nachdem die »Nordallianz« seit mehreren Tagen den Norden kontrolliert und gestern sogar in Kabul einrückte? Welche Zukunft steht der Region bevor? Nachdem die Pentagon-Generäle in den vergangenen Wochen die Kriegsberichterstattung dominierten, ist jetzt wieder einmal die Stunde des als moderat geltenden USA-Außenministers Colin Powell gekommen. Die New Yorker UNO-Generalversammlung nahm Powell zum Anlass, um das weltweite Unbehagen am US-amerikanischen »Antiterror«-Krieg zu dämpfen. Der Krieg erfordere auch »mehr Unterstützung für Demokratisierungsprogramme, Gesetzesreform, Konfliktlösung, Armutslinderung, Wirtschaftsreformen sowie Gesundheits- und Bildungsprogramme«, sagte er. Und die USA stünden mit voller Überzeugung hinter der »Sechs-plus-Zwei«-Gruppe, die neben den USA und Russland aus China, Iran, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan besteht. Die Zukunft Afghanistans müsse jetzt »schnell, schnell, schnell« auf die Beine gestellt werden, sagte Powell. Die »Sechs-plus-zwei«-Länder verabschiedeten eine Erklärung, in der sie eine »weit gefasste, multiethnische, politisch ausgewogene, frei gewählte afghanische Regierung« fordern. Der Sondergesandte James Dobbins befindet sich derweil auf Europa- und Zentralasienreise, um dafür ein internationales Bündnis zu sondieren. Doch weder Osama bin Laden noch die Taleban stehen vor einer schnellen Niederlage. Einem Pentagon-Sprecher zufolge trainieren USA-Spezialeinheiten zwar seit mehreren Tagen in Südafghanistan potenziell aufständische Paschtunen und sorgen für Waffenzufuhr. Und die Hoffnung beruht auf zur »Nordallianz« überlaufende Kriegsherren. Doch viele Afghanen fürchten die Rache grausamer Warlords und bleiben möglicherweise auf Seiten der Taleban, meinen USA-Strategen. Falls es misslingt, Paschtunen im Süden zum Überlaufen zu bewegen und einen Aufstand gegen die Taleban herbeizuführen, »könnte da unten militärischer Druck notwendig werden«, so Powell. Was in naher Zukunft eine Verstärkung der USA-Sondereinheiten und reguläre Bodentruppen bedeuten würde. In der »New York Times« ließ am Dienstag deren außenpolitischer Chefkommentator Thomas Friedman die Alarmglocken läuten. Bin Laden und die Taleban müssten »so schnell wie möglich eliminiert werden«, schrieb er aus dem pakistanischen Peschawar, »und dann ganz schnell weg da«. Der Konflikt könne sich in Windeseile nach Pakistan ausbreiten, warnte er. Die Zeitung analysierte auf ihrer Titelseite, in Afghanistan würden inzwischen zwei Kriege geführt, derjenige im Norden sei ein Kinderspiel gewesen. Das Machtvakuum in Kabul müsse sofort gefüllt werden, hieß es weiter, wegen einer drohenden Neuauflage des Bürgerkrieges aber nicht von der »Nordallianz«, deren Warlords Anfang der 90er Jahre für »Menschenrechtsverletzungen, ungeheure Misswirtschaft und einen permanenten Bürgerkrieg« verantwortlich waren. Wünschenswert seien stattdessen eine internationale Verwaltung und fried...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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