Weisungsflut aus Nürnberg

Jobcenter und Arbeitsagenturen stöhnen unter immer neuen Vorgaben und Regeln

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Wer soll da noch durchsehen? Allein bis November 2011 wurden 346 Weisungen an die Mitarbeiter in Jobcenter und Arbeitsagenturen verschickt. Das sind mehr als 9000 Seiten Papier. Viele kommen da nicht mehr hinterher.

Dass die Hartz-IV-Reform ein Bürokratiemonster erschaffen hat, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Viele Mitarbeiter in den bundesweit 305 Jobcentern und 176 Arbeitsagenturen klagen über das kaum noch zu durchschauende Regelungsdickicht. Wie eine Anfrage der Linksfraktion nun zeigt, hat sich auch in diesem Jahr daran nichts grundlegend geändert. Demnach wurden bis Ende November 346 Weisungen mit einem Umfang von mehr als 9000 Seiten an Jobcenter und Arbeitsagenturen verschickt. Darunter Geschäftsanweisungen, E-Mail-Infos und Verfahrensinformationen.

Auch wenn die Zahl der Weisungen in den letzten Jahren leicht rückläufig ist: »Für uns Mitarbeiter ist der Regelungsdschungel kaum noch zu durchschauen«, klagt die ehemalige Fallmanagerin eines Berliner Jobcenters gegenüber »nd«. Die Mitarbeiter müssten die Flickschusterei von Politik und Behördenleitung ausbaden, so die Berlinerin. Selbst BA-Vorstand Heinrich Alt kritisierte, dass es allein bis Ende 2010 rund 50 Gesetzesnovellierungen bei Hartz IV gegeben habe. Wohlgemerkt: Die umstrittene Hartz-IV-Reform trat erst im Januar 2005 in Kraft. »Die Flut an Rechtsänderungen führt dazu, dass unsere Mitarbeiter kaum noch routiniert arbeiten können«, so Alt gegenüber der »Wirtschaftswoche«.

Ein Teufelskreis: Die überforderten Mitarbeiter geben das Chaos an die Hartz-IV-Bezieher weiter – in Form von fehlerhaften Bescheiden. Deutlichstes Indiz: Mehr als die Hälfte aller Klagen gegen die Schreiben vom Jobcenter sind vor Sozialgerichten erfolgreich.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, kritisiert die Flut an Weisungen: »Die Beschäftigten der Arbeitsverwaltung müssen eine enorme Zeit aufwenden, um die hohe Zahl an Weisungen zu sichten und in ihre Arbeit zu integrieren«. Dies führe dazu, so Zimmermann, dass die Mitarbeiter vor Ort »in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden«. Für die Linkspolitikerin ein weiteres Argument für »die Abschaffung des überbürokratisierten Hartz IV-Systems und dessen Ersetzung durch ein sanktionsfreies menschenwürdiges Existenzminimum«.

Doch die Weisungsflut ist bei weitem nicht das einzige Problem der Angestellten. »Dazu kommt, dass wir viel zu viele Fälle betreuen müssen«, so die ehemalige BA-Angestellte. Ursprünglich sollte ein Fallmanager maximal 150 Personen betreuen. »Ich hatte 380«, erinnert sich die Ehemalige. Besserung ist nicht in Sicht: In den kommenden drei Jahren soll die Bundesagentur insgesamt 17 000 Stellen streichen.

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